Wie Frankreich Ruandas Völkermördern half

■ Französische Militärhilfe ermöglichte den Aufbau des Militärapparats, der 1994 den Genozid in Ruanda vollstreckte. Der Pariser Parlamentsausschuß spart dieses Kapitel weitgehend aus

Berlin (taz) – Der Völkermord in Ruanda 1994 wäre ohne die vorherige französische Unterstützung der ruandischen Regierung nicht möglich gewesen. Militär- und Finanzhilfe aus Frankreich ermöglichte den Aufbau der ruandischen Militärmaschinerie, die zwischen April und Juni 1994 versuchte, Ruandas Tutsi auszurotten und über 800.000 Menschen tötete.

Die Familie von Juvenal Habyarimana, Präsident Ruandas von 1973 bis 1994, war eng befreundet mit der Familie von François Mitterrand, Präsident Frankreichs von 1981 bis 1995. Frankreich und Ruanda schlossen 1975 einen Vertrag über Militärhilfe; einige Pariser Afrikakreise träumten davon, Ruanda zu einem französischen Brückenkopf in Ostafrika auszubauen. Der Ausbau der Zusammenarbeit erfolgte ab Oktober 1990, als Ruandas Regierung begann, gegen die Tutsi-Guerillabewegung „Ruandische Patriotische Front“ (RPF) zu kämpfen, die von ruandischen Tutsi-Exilanten im benachbarten anglophonen Uganda gebildet worden war. 600 französische Soldaten waren von 1990 bis 1993 in Ruanda stationiert und nahmen zum Teil aktiv am Krieg gegen die RPF teil.

Augenzeugen haben berichtet, daß französische Soldaten damals in Ruanda Kampfhubschrauber flogen, Artilleriegeschütze auf den Feind ausrichteten, gefangene RPF-Kämpfer verhörten und an Straßensperren in der Hauptstadt Kigali nach Tutsi Ausschau hielten. 1991 schlug die französische Militärmission in Ruanda der dortigen Regierung vor, 21 französische Soldaten wegen ihrer Leistungen auszuzeichnen. Zu Jahresanfang 1992 ernannte die ruandische Regierung den Leiter der Militärmission, Oberstleutnant Chollet, zum Präsidentenberater mit Zuständigkeit für „Organisation, Ausbildung und Einsatz“ der gesamten ruandischen Armee – eine Ernennung, die damals vom Pariser Außenministerium als „den Verträgen widersprechend“ dementiert wurde.

Zwischen 1990 und 1993 wuchs Ruandas Armee von 5.200 auf 50.000 Mann. Die französische Militärhilfe stieg zugleich von vier Millionen Franc auf 55 Millionen – Geld, das vor allem für die Ausbildung der neuen Militärs benötigt wurde. Viele von diesen leiteten später die Völkermordmilizen. Als RPF-Führer Paul Kagame Anfang 1992 Paris besuchte, erklärte ihm der Afrikadirektor im Außenministerium, Paul Dijord: „Wenn Sie nicht mit dem Krieg aufhören, werden Sie Ihre Brüder und Familien nicht wiedersehen, denn sie werden alle massakriert sein.“

Der Mechanismus des Völkermordes „ist unter Schutz der französischen Flagge aufgebaut worden“, konstatiert der französische Afrikanist Jean-François Bayart. Auch nachdem Ruandas Regierung im August 1993 ein Friedensabkommen mit der RPF schloß, Frankreich seine Truppen abzog und eine UN-Blauhelmtruppe nach Ruanda entsandt wurde, verfolgten französische Stellen genau die Aktivitäten ruandischer Hutu- Extremisten, die Massaker an Tutsi vorbereiteten, um nicht die Macht teilen zu müssen. Am 5. April 1994, einen Tag vor Beginn der Massaker, sollen Angehörige der französische Botschaft in Kigali ihre Tutsi-Mitarbeiter vertraulich gewarnt haben, ihre Familien in Sicherheit zu bringen.

Der Völkermord begann, als unbekannte Täter am 6. April 1994 über Kigali das Flugzeug des ruandischen Präsidenten abschossen und die radikale Fraktion des ruandischen Militärs putschte. Für den Abschuß haben jetzt mehrere Quellen eine französische Boden- Luft-Rakete verantwortlich gemacht. Inmitten der Massaker evakuierten französische Soldaten führende Vertreter des ruandischen Regimes nach Frankreich. Habyarimanas Ehefrau, die als eine Drahtzieherin von Todesschwadronen galt, wurde von Mitterrand mit Blumen empfangen. Militärisch griff Frankreich in Ruanda erst Ende Juni wieder ein, als der Völkermord so gut wie abgeschlossen war. Die Völkermordmilizen begrüßten die Franzosen mit Jubel.

Aber von diesen Dingen wird vor dem Ruanda-Ausschuß in Paris nur wenig die Rede sein. Kein einst in Ruanda stationierter französischer Militär ist vor der Parlamentskommission als Zeuge geladen. Dominic Johnson