: Nur Sachsen votierte gegen den Euro
■ Gestern stimmte der Bundesrat ab. Sachsen befürchtet, daß Deutschland Zahlmeister wird
Da reden sie im Bundesrat über den Euro, stundenlang, der Bundeskanzler, der SPD-Chef, mehrere Ministerpräsidenten, sie debattieren, loben, streiten, eifern, theoretisieren, und dann, als schon fast alles vorbei ist, kommt ein kleiner Professor ans Rednerpult und sagt sinngemäß: Leute, ihr habt alle völlig an der Sache vorbeigeredet. Das Bundesland Sachsen stimmt der Beschlußvorlage des Bundesrates zum Euro nicht zu! Alle anderen 15 Länder stimmten zu. Einen Tag nach dem Bundestag hat damit am Freitag auch der Bundesrat den Start der Europäischen Währungsunion mit elf Nationen zum 1. Januar 1999 abgesegnet.
Kurt Biedenkopf, der sächsische Ministerpräsident, wirkt bei seiner Schelte nicht großspurig oder besserwisserisch. Statt rührselig wie Kanzler Kohl die Europäische Währungsunion zu preisen oder kritisch wie SPD-Chef Lafontaine eine europäische Beschäftigungspolitik anzumahnen, erlaubt sich Biedenkopf, nüchtern nach dem Grund des Zusammentretens des Bundesrats zu fragen, um dann konsequent zu urteilen: Thema verfehlt!
Es gehe an diesem Tag keineswegs um die Zustimmung zum Euro, stellt Biedenkopf fest. Die Entscheidung darüber sei längst gefallen, dann nämlich, als Bundestag und Bundesrat 1992 dem völkerrechtlich verbindlichen Maastricht-Vertrag zugestimmt hätten. Die Bundestags- und Bundesratssitzungen von Donnerstag und Freitag hätten nur einen Grund gehabt: darüber zu entscheiden, mit welchen Mitgliedsstaaten die Währungsunion begonnen werden solle, mit anderen Worten: „Wer hat das Klassenziel erreicht?“ Das nämlich sei 1992 noch nicht absehbar gewesen und deswegen hätten Bundestag und Bundesrat auf einen parlamentarischen Vorbehalt gedrängt. Der Bundesrat, so Biedenkopf, habe im Dezember 1992 beschlossen, auf erwiesene dauerhafte Stabilität zu achten, sich nicht an Opportunitätsgesichtspunkten auszurichten, sondern sich unbestechlich an realen Wirtschaftsdaten zu orientieren. Und darüber, so Biedenkopfs Vorwurf, sei nun gar nicht mehr geredet worden. Der sächsische Ministerpräsident ist der Auffassung, daß Italien und Belgien die Stabilitätskriterien nicht erfüllen, auch wenn er die beiden Länder an diesem Tag nicht ausdrücklich nennt. Sowohl in Italien als auch in Belgien beträgt die Verschuldung etwa 120 Prozent des Bruttozsozialprodukts. Die Stabilitätskriterien sehen als Obergrenze 60 Prozent vor.
Biedenkopf wirft daher seinen Vorrednern vor: „Wir erwecken den Eindruck, daß wir uns aufgrund unserer Vergangenheit und aus höflicher Zurückhaltung nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung in den Teilnehmerstaaten befassen.“ Damit werde aber dem Stabilitätspakt die Grundlage entzogen. Politik beruhe nicht auf Rhetorik, sondern auf der Verläßlichkeit einmal eingeschlagener Standpunkte, und diese Verläßlichkeit sei enttäuscht worden. Für die Akzeptanz des Euro durch die Bevölkerung, die ohnehin nicht besonders groß sei, folgert Biedenkopf, bedeute dies einen schweren Schlag. Insbesondere in Ostdeutschland befürchteten die Menschen, daß Deutschland zukünftige Transferzahlungen an die wirtschaftlich schwächeren Teilnehmerländer an der Währungsunion leisten müsse.
Zuvor hatten sich Bundeskanzler Kohl und SPD-Chef Oskar Lafontaine gegenseitig vorgeworfen, die Politik des anderen führe zwangsläufig zu deutschen Transferleistungen. Finanzminister Theo Waigel hatte das gestern im Bundestag ausdrücklich ausgeschlossen. Markus Franz
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