: Frauen erben anders
■ Frauen leben länger und erben deshalb häufiger als Männer. Wenn sie dann plötzlich ans große Geld kommen, fühlen sich viele unsicher und überfordert. In Köln soll ein Kongreß nach US-Vorbild Hilfestellungen geben Von A
Frauen erben anders
Manche Leute haben Probleme, die andere gern hätten. An einem geheimen Ort in Köln treffen sich am Wochenende 25 Erbinnen. Man will seine Erfahrungen austauschen. „Viele Frauen trauen sich nicht einmal, ihrer arbeitslosen Freundin von der neuen Situation zu erzählen“, berichtet Unternehmensberaterin Anita Wagner, eine der Veranstalterinnen.
Teilnahmevoraussetzung für den 650 Mark teuren Kongreß: Ein erhebliches Vermögen. Was das ist, sollen die Betroffenen selbst definieren. Beim ersten Erbinnen- Treffen im vergangenen Jahr verfügte die „ärmste“ Teilnehmerin über 100.000 Mark, bei anderen waren es einige Millionen in Form von Unternehmensbeteiligungen, Grundstücken und Geld. Die Veranstalterinnen haben Journalisten und Vermögensberater ferngehalten: „Schließlich liegen hier die Millionen auf dem Präsentierteller“, so Wagner.
Wie viele Frauen in Deutschland sich zur Zeit mit derartigen Fragen beschäftigen, ist unbekannt. Die Statistiken übers Erben sind vage und nicht geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselt. Die BBE- Unternehmensberatung in Köln schätzt, daß in den kommenden fünf Jahren mehr als zwei Billionen Mark an die jüngere Generation übergehen. In etwa 300.000 Betrieben wird der Senior den Chefsessel räumen.
Sicher ist, daß das Thema Frauen besonders betrifft. Während sie bis zum Beginn dieses Jahrhunderts vom Erbrecht massiv benachteiligt waren, haben sie heute, zumindestens was ihre Zahl angeht, die Männer sowohl beim Erben als auch Vererben überholt – weil sie länger leben und es insofern mehr Witwen als Witwer gibt.
Über die Erbmasse sagt das allerdings noch nichts aus. Für die 80er Jahre hat die Soziologin Marianne Kosmann in einer kürzlich vorgelegten Untersuchung über Dortmund dazu festgestellt: „Auch wenn die krassen Unterschiede zwischen 1960 und 1985 abgenommen haben, bleibt das Muster einer höheren Erbzuteilung für Söhne im Vergleich zu Töchtern bestehen.“ Vor allem in reicheren Kreisen hat die Wissenschaftlerin eine Bevorzugung der Männer festgestellt. Und besonders bis in die 60er Jahre wurden Immobilien und Firmen fast ausschließlich an die männliche Nachkommenschaft gegeben. Ob diese Tendenz auch 1998 noch zutrifft, ist umstritten.
Erben verändert Beziehungen. „Ich verdiene zwar deutlich weniger als mein Mann, aber durch das Erbe ist er mir finanziell nicht überlegen“, so Brigitte S. Sie weiß, daß sie für ihre Alterssicherung nicht auf ihn angewiesen ist und fühlt sich dadurch freier. Weil ererbtes Vermögen außerdem nicht als Zugewinn einer Ehe gilt, muß sie das Geld im Fall einer Scheidung auch nicht mit ihm teilen. „Ich habe unser Haus gekauft, es gestaltet, wie ich wollte und mit den Banken verhandelt“, erzählt sie. Wäre es das Geld ihres Partners gewesen, hätte Brigitte S. das nicht getan.
Doch die Veranstalterinnen des Kölner Kongresses machen in ihren Finanzdienstleistungsunternehmen auch andere Beobachtungen. Sie sind überzeugt: Frauen erben anders. „Während sich Männer meist selbst um das Vermögen kümmern, wollen Frauen diese Verantwortung oft lieber abgeben“, hat Anita Wagner beobachtet. Steuerberater, Geschäftsführer, Ehemänner oder Brüder sollen diese Aufgabe übernehmen. Viele Frauen, auch akademisch gebildete, seien in punkto großes Geld erstaunlich unselbständig und trauten sich nur wenig Kompetenz zu, so die Unternehmensberaterin.
Gelegentlich wird diese antiquierte Rollenverteilung allerdings auch schon im Testament festgeschrieben, indem Vater oder Gatte der Erbin einen – männlichen – Vermögensverwalter vor die Nase setzt und sie nur die Erträge bekommt. Solch verordnete Unselbständigkeit dauert manchmal 20 Jahre lang. „Bei männlichen Erben habe ich eine solche Regelung noch nie erlebt“, so Wagner. Auch bei der Aufgabenverteilung im elterlichen Betrieb werden die Töchter häufig zurückgestellt: Söhne oder Schwiegersöhne führen die Geschäfte, Töchter werden Gesellschafterinnen und haben sonst nichts zu sagen.
Der Kölner Kongreß will den reichen Frauen helfen, selbst über ihr Vermögen zu entscheiden. Heide Härtel-Herrmann, Inhaberin eines Frauenfinanzdienstes in Köln, hat beobachtet, daß Frauen durchaus nach anderen Kriterien investieren als Männer. Außer ihrer persönlichen Altersabsicherung wollen viele das Geld so anlegen, daß es ihnen keine Gewissensbisse bereitet. Ethische und ökologische Fragen sind für sie deshalb oft ausschlaggebender als die höchste Rendite.
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