Analyse: Die Millionenpartei
■ Mit Riesenaufwand konnte die DVU Protestwähler mobilisieren
Für den Münchner Verleger und DVU-Chef Gerhard Frey hat sich die Materialschlacht gelohnt – mit sensationellem Ergebnis zog die rechtsradikale Partei in den Magdeburger Landtag ein, nachdem sie erst vor vier Wochen überhaupt im Wahlkampf in Erscheinung getreten war. Drei Millionen Mark hatte die Partei schlagartig eingesetzt – das ist eine Million Mark mehr, als die SPD ausgegeben hat. Die Partei hat einen Kampf um unentschiedene Protestwähler angezettelt, den Gerhard Frey bereits zu Beginn der 90er Jahre in Bremen und Schleswig-Holstein erfolgreich geführt hatte. Letztes Jahr war die Partei nur um 190 Stimmen in Hamburg an der Fünfprozenthürde gescheitert.
Die Parteimillionen stammen vom Chef. Seit Gründung der DVU im Januar 1971 ist Frey Parteivorsitzender – dank seiner Finanzmacht. Den ersten Schritt machte er 1958. Nachdem er sich von seinem Bruder seinen Anteil an einer geerbten Kaufhauskette auszahlen ließ, kaufte er die Deutsche Soldatenzeitung. Der Grundstock für sein heutiges Presseimperium war gelegt. Vom Chefsessel in München-Pasing dirigiert er nicht nur seine florierenden Wochenzeitungen, sondern auch das Touristikunternehmen „Deutsche Reisen“ und den seiner Frau Regine gehörenden „Freiheitlichen Buch- und Zeitschriftenverlag“. Mit Bänden wie „KZ-Lügen“, Filmen wie „Der Panzerkampf“ und allerlei NS-Devotionalien verdient der Frey-Clan Millionen. Über 100 Mietshäuser in Berlin und München runden das Ganze ab. Harald Neubauer, ehemals Vertrauter von Frey, schätzt das Vermögen des DVU-Chefs auf 500 Millionen Mark. 1987 zahlte er der NPD eine Million Mark für deren Kandidaturverzicht bei den Europawahlen 1989 und propagierte ein Wahlbündnis. Die NPD zerfiel, ihre Schulden stiegen. Im August 1991 war die Zusammenarbeit beendet. Die NPD wurde in Sachsen- Anhalt gar nicht erst zu Wahl zugelassen. Sie hatte nicht genug Unterschriften gesammelt. Die Landes-Reps sind total zerstritten.
In dieses Vakuum stieß die DVU mit ihren Millionen und den Parolen wie „Deutsche Arbeitsplätze für deutsche Arbeitnehmer“ und ihrer Kampagne gegen „kriminelle Ausländer“, mit der sie in einem Land Ängste schürte, in dem es kaum Ausländer, aber viele Arbeitslose und Verängstigte gibt. Das Muster ist bekannt aus den Erfolgen in den West- Bundesländern, und es war wieder erfolgreich. Noch bei der letzten Wahl wählten nur 1,6 Prozent der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt rechts. Die Entwicklung seitdem hat vor allem die Jungen ohne Aussicht auf Jobs und Zukunft anfällig gemacht für polemische und populistische Forderungen wie „Deutschenbeauftrage sollen sich um die Sorgen der Deutschen kümmern“ und „Weniger Geld für die EU“. Bernd Siegler/Toralf Staud
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