: Musiklehrer war traurig
■ Im Berliner Dopingprozeß kann sich die Zeugin Jane Lang an vieles nicht erinnern
Berlin (taz) – Die klarste Aussage von Jane Lang erfolgte gestern gleich zu Beginn ihrer Befragung vor dem Berliner Landgericht. Da testete sie das Mikrofon, und ein sonores „Hallo“ scholl durch den Raum. „Singen konnten wir nicht unbedingt“, bestätigte die ehemalige Spitzenschwimmerin der DDR später das Phänomen der tiefen Stimmlage auch bei ihren Kolleginnen, „die Musiklehrerin war sehr traurig darüber.“
Nachdem beim Prozeß gegen vier Trainer und zwei Ärzte, die der Körperverletzung an Minderjährigen durch Doping beschuldigt werden, vergangene Woche die Ex-Schwimmerin Christiane Knacke-Sommer mit präzisen Aussagen aufwartete, war das Gericht im Falle Lang eher mit massivem Gedächtnisschwund konfrontiert. Die Zeugin vermochte sich nicht zu erinnern, wann sie ins Nationalteam gekommen war, wann sie aufgehört hatte, wann sie die Schule abschloß, wie oft Trainingslager stattfanden, wie der Tagesablauf aussah und letztlich auch nicht, ob sie die berüchtigten blauen oder rosa Pillen, die das Anabolikum Oral-Turinabol enthielten, bekommen hatte. Das alles sei 20 Jahre her, sagte die 36jährige, ihre Standardantwort auf fast alle Fragen lautete: „Könnte sein, aber hundertprozentig kann ich es nicht sagen.“
Erstaunlicherweise konnte sich Jane Lang auch nicht an Dinge erinnern, die sie noch vor wenigen Monaten beim Staatsanwalt ausgesagt hatte, so zu Christiane Knackes Bericht, daß die Schwimmerinnen Spritzen verweigern wollten. Dies sei passiert, weil sie die Spritzen satt und das warnende Beispiel der osteuropäischen Konkurrentinnen vor Augen gehabt hätten, steht sinngemäß im Protokoll der staatsanwaltlichen Vernehmung Langs. Gestern hieß es dazu lediglich: „Könnte sein, kann ich nicht hundertprozentig sagen.“
Das Erinnerungsvermögen der zweiten Zeugin des Tages funktionierte besser. An die blauen Pillen könne sie sich erinnern, sagte Kerstin Olm, die zur selben Zeit wie Lang aktiv war, und auch den plötzlichen Bariton habe es bei ihr gegeben. Jane Lang indes relativierte auch dies. Das sei in ihrer Familie eben so, sagte sie, die Stimme ihrer Mutter klinge ähnlich. Matti
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