Der keltische Tiger schnurrt

■ In Irland wird kaum jemand gegen die neue Währung stimmen. Welches Image hat der Euro in Europa? Erster Teil einer taz-Serie

Dublin (taz) – Der Euro kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Und über letzteres diskutiert man ja auch nicht. Es ist verblüffend, auf welch geringes Interesse die Währungsunion in Irland stößt, obwohl sie kein Dreivierteljahr mehr entfernt ist. Damals, als die Maastrichter Verträge bevorstanden, hatten sich die Iren billigen Wein und billige Autos erhofft; die Irinnen fürchteten erhöhte Preise für Lebensmittel und bis dato mehrwertsteuerfreie Kinderkleidung. Nichts davon trat ein. Aber wenigstens hatte man sich ein paar Gedanken über die Vor- und Nachteile gemacht.

Über den Vertrag von Amsterdam spricht kein Mensch. Auch die Politiker aller Parteien weigern sich schlichtweg, über Amsterdam und die Währungsunion zu reden. Damals, vor dem Volksentscheid über Maastricht, hätte man darüber debattieren können, doch jetzt sei alles unter Dach und Fach, heißt es. Damit überhaupt jemand an die Wahlurne gelockt werden kann, hat die Regierung den 22. Mai für das Referendum festgelegt – denselben Tag, an dem die IrInnen über das Belfaster Abkommen vom Karfreitag abstimmen, das Nordirland Frieden bringen soll.

Kein Zweifel, daß es in beiden Volksentscheiden große Zustimmung geben wird. Die IrInnen sind EU-begeistert, mehr als jede andere Nation Europas. Sie haben auch überdurchschnittlich von den verschiedenen Töpfen profitiert. Das Ergebnis: Irlands Wirtschaftswachstum der vergangenen fünf Jahre liegt viermal so hoch wie der EU-Durchschnitt. Damit steht die Grüne Insel an der Spitze der OECD-Länder. Gleichzeitig ist die Inflationsrate unter dem EU- Schnitt geblieben – der „keltische Tiger“ schnurrt. Da darf man sich nicht undankbar zeigen und die mächtige Brüsseler Maschine verärgern. Hinzu kommt die ewige Rivalität mit der Nachbarinsel nach dem Motto „Wir sind im Club, die Engländer nicht“.

Das birgt freilich auch Gefahren, doch die werden lediglich von Ökonomen auf den Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen erörtert. Frank Barry, Dozent am Trinity College Dublin, weist darauf hin, daß der irische Wirtschaftskreislauf viel mehr Ähnlichkeiten mit dem britischen hat als mit dem deutschen. Ist der Euro erst mal da, richtet sich die irische Zinsrate nach der deutschen und französischen Entwicklung. Und wenn Sterling fällt, steigt in Irland die Arbeitslosigkeit, argumentiert Barry.

Er wirft dem Dubliner Wirtschafts- und Sozialforschungsinstitut ESRI grobe Fahrlässigkeit vor. Das Institut hat im Auftrag der Regierung eine Untersuchung angestellt und kam zu dem wenig überraschenden Ergebnis, daß die Netto-Vorteile für Irlands Beitritt zur Währungsunion überwiegen. Das Hauptargument war, daß die internationalen Investments versiegen würden, sollte Irland nicht beitreten. Andere Untersuchungen haben ergeben, daß beides nicht das geringste miteinander zu tun hat. Tom Baker vom ESRI schlug nun zurück: Seit das Institut den Bericht veröffentlicht habe, sei die Gefahr für Irlands Wirtschaft noch geringer geworden. „Rückblickend scheint es, daß wir die Vorteile eines EWU-Beitritts sogar unterschätzt haben“, sagte er. An der Öffentlichkeit geht diese Fachdebatte schnurstracks vorbei. Ralf Sotscheck