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"Gleichbehandlung"

■ ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser über die Frage, wie Medien Parteien wie die DVU behandeln sollen: "Keine Berührungsängste"

taz: Warum konnten die Zuschauer am Wahlabend bei Ihnen weder ein Interview mit DVU- Chef Gerhard Frey sehen noch eines mit dem Spitzenkandidaten Helmut Wolf?

Klaus Bresser: Wir lassen uns von keiner Partei Zeitpunkt und Art des Auftritts vorschreiben. Frey und Wolf standen vor 19 Uhr, als wir sie gern im Programm gehabt hätten, für uns nicht zur Verfügung. Dann wollten sie gegen 19 Uhr in unsere „heute“-Sendung, das aber nur zusammen. Das hätte jeder Regel widersprochen. Deshalb haben wir darauf verzichtet.

Wäre es nicht besser gewesen, die beiden zu nehmen und Frey zu fragen: „Warum dürfen wir Herrn Wolf nicht ohne Sie befragen?“

Es handelt sich hier um die Hauptnachrichtensendung des ZDF, und da können wir uns mit solch einem Aspekt nicht ausführlich befassen. Es wäre auch den anderen Parteien gegenüber ungerecht gewesen, hätten wir hier die Zuschauer mit einem Problem beschäftigt, das die Partei mit sich selbst hat. Das wäre höchstens in der Sendung vor 19 Uhr möglich gewesen.

Kommt die DVU grundsätzlich bei Ihnen nicht ins Studio?

Wir haben keine Berührungsängste. Herr Wolf war einer der Gewählten, und er hätte da hingehört.

Sollen Journalisten die Vertreter einer rechtsextremen Partei genauso befragen wie die von demokratischen Parteien?

Es gibt prinzipiell keine Unterschiede. Natürlich fragt man einen Vertreter einer solchen Partei, ob er viel mehr als platte Parolen anzubieten hat. Man würde ihn danach fragen, ob er nicht durch den Appell an dumpfe Ressentiments in den Landtag gekommen ist und wie er denn die konkreten Probleme löst. Und man würde fragen, ob er sich verhält wie andere Vertreter seiner Partei, die nach der Wahl zur Politik kaum mehr etwas beitrugen.

Sie meinen, die Rechten entlarven sich dann selbst?

Ja. Alles, was man von ihnen hat sehen können, waren Selbstentlarvungen.

Die DVU hat ihren Erfolg kaum durch rationale Argumente errungen. Wenn Sie auf Selbstentlarvung setzen, könnte es passieren, daß Sie nur jene Leute erreichen, die sowieso nie eine Rechtspartei wählen würden.

Wir können sie natürlich auch nicht totschweigen. Wir müssen auch die Motive von Wählern klarmachen – das haben wir auch getan. Dabei wird sich nach und nach klären, um wen es sich handelt: Leute, die durch Geld und den Appell an Ressentiment in der Lage sind, eine gewisse Unzufriedenheit auszunutzen.

Einige sagen, man darf den Rechten nicht die Chance geben, sich zu Märtyrern zu machen.

Der Meinung bin ich auch. Deshalb wollen wir sie auch nicht anders als andere behandeln. Aber sie müssen sich an die gleichen Regeln halten wie die anderen.

In Magdeburg wurde auch ein ZDF-Team im Pulk um Herrn Frey bedrängt. Sind es nicht auch solche Action-Situationen, die die DVU-Klientel sehen will?

Die hier dargestellte Gewaltbereitschaft ist etwas, was die uns aufoktroyieren möchten – allein dadurch, daß Herr Frey immer mit einer großen Zahl von Bodyguards auftritt. Das können wir nicht zulassen. Wir müssen auf gleiche Behandlung aller Parteien sehen.

Was bedeutet das für die Berichterstattung?

Das bedeutet, daß wir den einzelnen Kandidaten aus der Gruppe herauslösen und der unseren Kameras Rede und Antwort stehen kann. Die Hektik ist ja bewußt herbeigeführt worden.

Journalisten müssen sich nicht unbedingt instrumentalisieren lassen – MDR-Chefredakteur Wolfgang Kenntemich hat gesagt, wenn man die interviewe, „da kommt doch nur dummes Zeug“.

Unsere Aufgabe ist es, die Wirklichkeit darzustellen. Dazu gehört möglicherweise auch das dumme Zeug, das Spitzenkandidaten dieser Partei absondern. Wir können uns nicht zum Richter darüber aufspielen, was ein einzelner Kandidat sagt, sondern wir müssen den Kandidaten so darstellen, wie er ist. Interview: Georg Löwisch

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