: Italo-Katzenjammer
■ Welches Image hat der Euro in Europa? Italiens Mittelstand entdeckt Schattenseiten
Rom (taz) – Die schönen Zeiten nach der Euro-Zulassung Italiens hatte sich Franco Petrillo, Fleischgroßhändler aus Fondi im südlichen Lazium, ganz anders vorgestellt: „Die Funktionäre der Handelsverbände hatten uns weisgemacht, daß mit den nun stabilen Wechselkursen endlich auch der Mittelstand international wettbewerbsfähig wird“, erinnert er sich. „Ohne schwankende Wechselkurse können die Leute in Ruhe bestellen, wo es am günstigsten ist.“ Franco Petrillo hat daher sein Geschäft auf Import-Export umgestellt und in verschiedenen Fachzeitschriften inseriert.
„Doch nun kommen die Einkäufer und ziehen ellenlange Computerausdrucke aus der Tasche, allesamt Preislisten aus den verschiedensten Euro-Staaten. Für jedes Angebot, das ich mache, finden sie irgendwo in Spanien oder in Dänemark ein billigeres.“ Und das, obwohl die endgültige Parität der Währungen noch gar nicht festgelegt ist. Vorbei die schönen Zeiten, wo Franco skeptische Großeinkäufer mit einer Zahlungsfrist von 90 Tagen beruhigte, in der sie dann zum bestmöglichen Umtauschkurs bezahlen konnten. „Das Schlimme ist, daß ich die Vergleichspreise auf den Computerlisten überhaupt nicht nachprüfen kann.“
Als die Italiener mit aller Macht in den Euro drängten, glaubten sie, den Wegfall der Umtauschkurse schon irgendwie kompensieren zu können. Doch nun weiß niemand wie. Der Tourismussektor meldet Minusrekorde, trotz des herannahenden Heiligen Jahres der katholischen Kirche. Der Absatz der in den letzten beiden Jahren künstlich mit Staatszuschüssen hochgepuschten Automobile stagniert. Die meisten großen High-Tech- Unternehmen sind längst an ausländische Firmen verkauft und werden zügig abgebaut.
Auch die Banker, vorher feurige Verfechter des Euro-Zutritts, stehen plötzlich im Regen. Bequem hatten sie in heimlichen Absprachen die Zinsen hochgehalten – doch nun drängte vergangene Woche eine englische Bank mit Angeboten von 5 Prozent für Haushypotheken auf den Markt, zweieinhalb Prozent unter dem niedrigsten italienischen Angebot.
Und daß man die Maastricht- Kriterien für die kommenden Jahre ohne Steuererhöhung einhalten könnte, wie Schatzminister Ciampi erklärt, halten selbst dessen Freunde für ausgeschlossen. Es reicht, daß die Zinsen wieder ein wenig steigen und der zunehmende Schuldendienst alle Haushaltsansätze des hochverschuldeten Landes Makulatur werden läßt. Verstört nehmen die Italiener auch zur Kenntnis, daß die Renten trotz gegenteiliger Beteuerungen der Regierung im kommenden Jahr massiv gekürzt werden.
Franco Petrillo jedenfalls überlegt, seinen Export baldmöglichst aufzugeben. „Wenn das so weitergeht“, murrt er bitter, „beschränke ich mich auf den Metzgerladen, nutze den ererbten Hektar Land und verkaufe, wie es meine Eltern getan haben, das Obst am Straßenrand an vorbeikommende Autofahrer.“ Werner Raith
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen