piwik no script img

Ein Gesetz, wie von der DVU erdacht

In der heutigen Expertenanhörung zum Asylbewerberleistungsgesetz steht nicht nur die Streichung von Sozialleistungen auf dem Prüfstand. CDU und CSU müssen zeigen, ob sie sich von der rechten DVU abgrenzen  ■ Von Patrik Schwarz

Berlin (taz) – Das Labyrinth von Räumen, in denen sich Ausschüsse des Bonner Bundestages zu ihren Sitzungen treffen, ist selbst für Eingeweihte schier unübersehbar. Das Zimmer 3/104 befindet sich im sogenannten Anbau Ladenzeile. Wenn dort heute früh die öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses zur umstrittenen Streichung von Sozialleistungen für bis zu 250.000 Flüchtlinge beginnt, werden nicht nur Abgeordnete und geladene Experten in den Raum drängen, sondern auch ein ungebetener Gast: der Geist von Magdeburg.

Es ist die erste Sitzung eines Bundestagsgremiums zum Thema Ausländer, seit die rechtsextreme DVU in Sachsen-Anhalt mit ausländerfeindlichen Parolen knapp 170.000 Wählerstimmen einheimste. An den Reaktionen der Abgeordneten vor allem von CDU und CSU wird sich zeigen, inwieweit der DVU-Erfolg von Magdeburg dazu führt, daß Volksparteien glauben, verstärkt Härte gegenüber Zuwanderern demonstrieren zu müssen.

Im Mittelpunkt der Anhörung steht eine Gesetzesnovelle, die radikaler kaum sein könnte: Die geplante Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes bedeutet nach Ansicht von Caritas, Rotem Kreuz und Diakonischem Werk eine Verletzung von nationalem und internationalem Recht. Der Gesetzentwurf sieht vor, ausreisepflichtigen Flüchtlingen Unterstützung nur noch zu gewähren, „soweit dies im Einzelfall unabweisbar geboten ist“. In einem Rechtsgutachten, das die Wohlfahrtsverbände in Auftrag gegeben haben, wird diese Regelung als verfassungsfeindlich eingestuft. Da Flüchtlingen bereits jetzt nur das zum Lebensunterhalt Unerläßliche gewährt wird, bedeute die Streichung dieser Minimalleistungen einen Verstoß gegen Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Erdacht hat sich die Verschärfung nicht der DVU-Vorsitzende Frey, sondern der Bundesrat unter maßgeblicher Beteiligung von SPD-regierten Bundesländern wie Niedersachsen und dem Saarland. Erst als der Bundesrat, mit Unterstützung der Ministerpräsidenten Schröder und Lafontaine, den Entwurf zur Billigung an den Bundestag weiterleitete, brach in der SPD- Fraktion das Entsetzen aus. Man sei nicht rechtzeitig informiert gewesen, heißt es.

„Die Stoßrichtung des Entwurfes ist zuerst einmal eine fiskalische gewesen – mit Leistungsstreichungen kann man, zynisch gesagt, einfach Geld sparen“, sagt ein Koalitions-Insider. So kompliziert seien die Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes, daß kaum ein Abgeordneter sie durchschaue. „Haften bleibt nur, daß man da sparen kann.“

Die Bonner Politiker sympathisierten mit Forderungen nach Einsparungen bei Sozialleistungen schon lange bevor in Magdeburg die Parolen von „ausländischen Sozialschmarotzern“ 13 Prozent erhielten. Vor Magdeburg habe der Charme von Sparbeschlüssen gerade darin gelegen, daß sie scheinbar unideologisch waren, so ein Flüchtlingsexperte: „Wenn Sie dagegen argumentieren, sind Sie sofort in der Defensive.“

Unter dem Eindruck des DVU- Erfolges hat die CSU einen Wahlkampf mit nationalen Themen angekündigt und ausdrücklich die Ausländerpolitik als Feld genannt, in dem die Partei der Konkurrenz von rechts das Wasser abgraben will. Im Gesundheitsausschuß des Bundestages konzentriert sich die Auseinandersetzung um den Leistungsentzug für Flüchtlinge vor allem auf die Frage, wen genau die Regelung betrifft. Das Bundesgesundheitsministerium sprach von bis zu 600.000 Flüchtlingen.

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen, warnte bereits in ungewöhnlich deutlicher Form die etablierten Parteien, „der Versuchung zu widerstehen, mit dem Thema Ausländerpolitik am rechten Wählerrand wildern zu wollen“. Die Wahlkampfplanung der CSU sei „das ganz entschieden falsche Signal“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen