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Noch Zeit bis zur Rente

■ Privates und Politisches: B3 zeigt "Die 68er Story" des Dokumentarfilmers Wolfgang Ettlich (So., 22.30 Uhr)

Und weiter geht's mit den Jubiläumssendungen. Gerade ist die umfangreiche 3sat-Reihe „30 Jahre 68“ ausgelaufen, da bringt B3 auch schon den nächsten Beitrag zum Thema: Mit der „68er Story“ versucht sich der Dokumentarfilmer und passionierte Langzeitbeobachter Wolfgang Ettlich (1995 Grimme-Preisträger für die Jugendstudie „Irgendwie Power machen“) an einem Porträt der Revoluzzer-Generation. Der 1947 geborene Filmautor, der 1968 mit Freunden von Berlin nach München zog (unter anderem, weil dort „Zur Sache, Schätzchen“ spielte), traf seine ehemaligen WG-Genossen und andere Mitstreiter wieder, befragte sie über Ideale und Ikonen von damals und ihre heutige Sicht der Dinge.

So erinnert sich Otto Schily an einen von haßerfüllten Kirchgängern unterbundenen Versuch Rudi Dutschkes, eine Predigt zum Vietnam-Krieg zu halten; der Historiker Peter Brandt, Sohn von Willy Brandt, erzählt von seiner Festnahm bei einer Anti-Springer-Demonstration; Szenefotograf Michael Ruetz zeigt Bilder von einer Studentendiskussion mit Marcuse, und „Amon Düül“-Gitarrist John Weinzierl plaudert über eine nicht ganz geglückte Session in der Kommune 1. Einen echten Höhepunkt steuert die einstige Sex-Provokateurin Rosemarie „Rosy Rosy“ Heinikel bei, die in schönstem Bayerisch ihr sensationelles Leinwand-„Love In“ auf einem tschechoslowakischen Panzer kommentiert. Aber auch Normalos mit klassischem 68er-Werdegang wie der Geschichtslehrer Kurt Holl, der Taxi-Unternehmer Jürgen Hilpert oder die Kulturredakteurin Karin Kerner kommen, meist vor imposanten Bücherwänden aufgenommen, ausführlich zu Wort.

Unterlegt mit historischen Schwarzweißaufnahmen und den obligatorischen Hits der Zeit (aber bemerkenswerterweise ohne jede Haschrebellen-Nostalgie), verbinden sich die unterschiedlichen Einlassungen zu einer interessanten und vielschichtigen Studie – gerade weil sich in ihnen Privates und Politisches vermengt, gerade weil Ettlich bei 90 Minuten Lauflänge genügend Zeit hatte, auch weniger spektakuläre Statements zu berücksichtigen. Sogar eine Art Fazit läßt sich als Minimalkonsens aus den Selbstbeurteilungen der Interviewten herausfiltern: Politischer Kampf hin oder her, zunächst einmal sei 68 eine Kulturrevolte gegen die Spießigkeit der Nachkriegszeit gewesen, mit unbestreitbaren Erfolgen und Auswirkungen bis heute.

Dem läßt sich zustimmen, liebe Alt-68er, und deswegen solltet Ihr es auch nicht so schwernehmen, wenn euch die Jugend von heute schon naßforsch aufs Altenteil schicken will: „Die Lehrerkollegiaten vergreisen“, schimpft gegen Ende des Films eine Demonstrantin über die aktuelle Bildungsmisere. Bis ihr wirklich eine „Generation vor der Rente“ seid, wie Wolfgang Ettlich seine Dokumentation in Anlehnung an dieses Zitat untertitelt hat, dauert es jedenfalls noch ein paar Jährchen. Peter Luley

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