piwik no script img

Manche sind lieber unter ihresgleichen

Bei den „Internationalen Berliner Bridgemeisterschaften“ werden gepflegte Umgangsformen demonstriert, aber im Berliner Verband rumort es wegen Fremdenfeindlichkeit. So kämpft Bridge weiter tapfer gegen die Klischees  ■ Von Kirsten Niemann

Bridgespieler haben gepflegte Umgangsformen und schummeln nicht. Und damit sie auch während der vergangenen fünf Tage, in denen die „Internationalen Berliner Bridgemeisterschaften“ ausgetragen wurden, nicht der Versuchung erliegen konnten, dem Gegner ins Blatt zu schielen, präparierten die Veranstalter den Austragungsort: Die Spiegelflächen an den Wänden des großen Tagungssaals im Hotel Ambassador wurden präventiv mit Leinentüchern verhängt. Schließlich kann es nicht schaden, selbst in einem Spiel, in dem Fairneß, gute Manieren und eine geradezu stoische Höflichkeit fest im Regelwerk verankert sind, bei der praktischen Umsetzung moralisch-ethischer Grundsätze ein wenig nachzuhelfen.

Ansonsten lassen die Manieren zuweilen zu wünschen übrig, findet der Landesverband der Berliner Bridgespieler. Wenn die 100 Teilnehmer, die in diesem Jahr aus zehn verschiedenen Nationen zum großen Zocken nach Berlin gereist kamen, am Bridgetisch mehr oder minder harmonisch miteinander verkehrten, so gibt es doch vereinzelt SpielerInnen, die mit den hier ansässigen ausländischen Mitspielern ein Problem haben. „Es gibt Clubs, in denen herrscht der blanke Rassismus“, hörte man es aus den Reihen des Berliner Verbandes munkeln. Ein ärgerlicher Zustand. Und zudem einer, der glänzend zum gängigen Negativimage von Bridge als Kaffeekränzchen-Zeitvertreib verzickter, arroganter Damen paßt.

Den sportiven Spielern ist dieses Image lästig. Seit Jahren bemüht sich der Deutsche Bridge Verband (DBV) darum, vom Deutschen Sportbund offiziell als Sport und damit auch als förderungswürdig anerkannt zu werden. Bislang ohne Erfolg. Noch heute denken viele Berliner Bridger daher mit Schamröte an Vorkommnisse, die schon zwei Jahre zurückliegen. Damals echauffierte sich eine Spielerin über die Reizkonvention ihres verdutzten Gegners und legte ihm nahe, er solle nicht „dieses blöde jüdische System, sondern etwas Vernünftiges“ spielen. Die prompte Quittung des Landesverbands: eine sechsmonatige Sperre. Ein weiterer Eklat: Eine Spielerin gab einem kurdischen Mitspieler zu verstehen, er möge erst mal anständig Deutsch lernen, bevor er in ihrem Club mitspiele.

Die Verbandsvorsitzenden reagierten mit einem offenen Brief im Berliner Bridge-Sprachrohr Vollspiel! Alle Berliner Clubs unterzeichneten ein Statement, das gegen „grob verletzende Äußerungen gegenüber ausländischen Gästen“ Position bezog. Wer sich an der Anwesenheit oder den Angewohnheiten ausländischer Mitspieler störe, stelle sich außerhalb der Gemeinschaft der Berliner Bridgespieler, hieß es. Und: „Es ist schade, daß wir uns zu einer derart unerfreulichen Angelegenheit äußern mußten. Aber es ist hoffentlich das letzte Mal.“

War es aber nicht. Vor zwei Monaten sah man sich bemüßigt, den Brief noch einmal abzudrucken. „Wenn direkt am Tisch diskriminierende Äußerungen fallen“, erklärt Sportwart Lutz Springer, Gründer des Vereins Treff König, „dann kann die Turnierleitung einschreiten und der jeweilige Spieler wird bestraft. Kommen die Bemerkungen jedoch während der Spielpausen im Foyer – dann kann man leider nicht viel machen.“ Treff König, auf dessen Dachgarten stolz die Regenbogenfahne flattert, hat den Schutz von Minderheiten ohnehin im Programm. „Bridge wurde von den Nazis als ,jüdisches Spiel‘ verboten – für mich und in dieser Zeit ein Grund mehr, gegen Diskriminierung vorzugehen. Sei es gegen lesbische, schwule oder andere Minderheiten“, erklärt Springer. Eine Spielerin sei bereits ausgetreten, weil ihr das Umfeld zu schwul war. Ein Verlust, der zu verkraften war.

Doch besonders in einigen bürgerlichen Clubs kam es zu diskriminierenden Anschuldigungen. „Die Polen mogeln“, heißt es immer mal gerne unter mißgünstigen Bridgern. „Sie werden gefürchtet, weil sie gut spielen“, hat die Berliner Vorsitzende des Landesverbands, Dagmar Henniger, erkannt. So hat der BC52, der erfolgreichste und älteste Berliner Bridgeverein, mit rund 40 Prozent den höchsten Anteil ausländischer Mitspieler. Auch sonst sind die Mitglieder des BC52 Lichtjahre vom gängigen Klischee entfernt und stehen exemplarisch für eine neue Generation von Bridgespielern: arbeitslose Akademiker männlichen Geschlechts, im kämpferischen Alter zwischen 25 und 50 Jahren, eher nachteilhaft gekleidet und vielfach nervös rauchend. Unter den älteren Berliner Spielerinnen, die aus einem Bridgeturnier lieber ein gemütliches Kirschkuchen-Event machen würden, ist der Club weniger gut gelitten. Man ist lieber unter seinesgleichen. Nachdem der Verein vor einem Jahr seine Clubräume an bevorzugter Ku'dammlage aufgeben mußte und in den Dunstkreis eines Berliner Rotlichtviertels zog, haben auch bislang tolerante Wilmersdorfer Witwen es vorgezogen, sich eine neuen Verein zu suchen.

Siegmund Polok, gebürtiger Pole und zweiter Vorsitzender des BC52, sieht das Problem weniger in Fremdenfeindlichkeit als im Konkurrenzkampf begründet. Polnische Spieler sind stark – und das hat Gründe: „Bridge ist für uns Actionsport und Kampf“, meint der 48jährige, „kann ein Pole nicht spielen, dann wird er gefragt: Was hast du denn während deiner Schulzeit gemacht?“ Polen haben zudem ein gewieftes Reizsystem, das „Polnische Treff“ erfunden, das sich mittlerweile auch außerhalb Polens durchsetzt. Und lehrreiche Bridgelektüre – bei uns nie unter 20 Mark zu haben – kostet bei unseren Nachbarn gerade mal die Hälfte.

Während in Großbritannien, den Niederlanden, den USA – und eben vor allem in Polen – Bridge längst zum förderungswürdigen Breitensport gezählt werden darf, gilt es hierzulande immer noch als exotischer Zeitvertreib. In Polen und Amerika, wo Sponsoren ihre Spenden steuerlich absetzen können, springt für den Bestplazierten schon mal ein Kleinwagen heraus. Das polnisch-deutsch-georgische Team um Polok, das als Gewinner aus dem diesjährigen Teamturnier hervorging, nimmt dagegen lediglich 800 Mark mit nach Hause.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen