piwik no script img

FDP und die Wahl

Umworben werden die „Fleißigen“ und Ausländer. Im August wird die Partei schließlich sagen, mit wem sie regieren will  ■ Von Markus Franz

Berlin (taz) – Marktwirtschaftliche Erneuerung, Bildungspolitik und eine verläßliche Außenpolitik sind die Eckpfeiler des Wahlkampfentwurfs der FDP, den Generalsekretär Guido Westerwelle gestern in Bonn vorstellte. Fragen des Bürgerrechts werden darin allerdings nur am Rande behandelt.

Die FDP will anders als vor vier Jahren einen „eigenständigen“ Wahlkampf betreiben. Damals hatte sie noch mit dem Slogan geworben: „Wer Kohl will, muß FDP wählen.“ Nun sagte Westerwelle: „Die FDP vertritt die unbequemste Botschaft aller Parteien“, weil sie nicht auf eine Rundumversorgung durch den Staat setze. Das gelte auch für einen großen Teil der Union. Die FDP setze auf die Fleißigen, nicht die Faulen, die Einsteiger, nicht die Aussteiger, und auf diejenigen, die den unbequemen Weg der Eigenverantwortung in allen Lebensbereichen gehen wollten.

Als Wahlziel gab Westerwelle aus, vor den Grünen die drittstärkste politische Kraft im Land zu werden. Die FDP will die „Unzuverlässigkeit der Grünen“ in der Außenpolitik vorführen, wie etwa beim Bosnien-Beschluß. Außenminister Klaus Kinkel soll als Beispiel für Verläßlichkeit herausgestellt werden. Die SPD soll nach einem Wahlkampfmotto der CDU angegangen werden: „Wir wollen das Verhältnis zwischen SPD und PDS offenlegen“, kündigte Westerwelle an.

Die Bildungspolitik soll bei der FDP oberste Priorität genießen. Jede Mark für die Bildung bedeute eine Mark zur Schaffung von Arbeitsplätzen, sagte Westerwelle. Als Ziele stellte er heraus, das Abitur nach zwölf Schuljahren einzuführen und die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) abzuschaffen.

Im Bereich der Renten fordert die FDP den schrittweisen Übergang zu einer Mischform aus umlagefinanzierter und kapitalgedeckter Altersversicherung. Zudem verlangt die FDP ein Umdenken in der Drogenpolitik. So sollen probeweise betreute Fixerräume zur Abgabe von Heroin eingerichtet werden. Des weiteren sollen die Rechte von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften durch das „Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft“ gestärkt werden.

Zur Rechtspolitik, einer ehemaligen Domäne der FDP-Politik, äußerte sich Westerwelle hingegen kaum. „Neben den Dingen zur Inneren Sicherheit“, sagte er, ohne auszuführen, was genau er damit meinte, komme es vor allem darauf an, Kinder von Ausländern, die in Deutschland geboren seien, besser zu integrieren. Auf Nachfrage sagte Westerwelle: „Die Integration von hier geborenen Kindern von Ausländern ist die wichtigste gesellschaftspolitische Herausforderung unserer Zeit.“ Der Generalsekretär ließ aber die Frage unbeantwortet, ob die FDP die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts zur Koalitionsfrage erheben werde. In ihrem Wahlprogramm fordert sie zudem ein Gesetz, um die Zuwanderung zu steuern und „zu begrenzen“. Die Zuwanderung müsse sich stärker „an unseren eigenen Interessen orientieren“.

Das Wahlprogramm wird beim Bundesparteitag vom 26. bis 28. Juni in Leipzig beraten werden. Die FDP ist damit die einzige Partei, die im Wahljahr drei Parteitage abhält. Bei ihrer ersten Zusammenkunft in Berlin, eine Woche vor der Sachsen-Anhalt-Wahl, wurden lediglich die Vorstellungen zur Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik verabschiedet. Die Kosten dieses Parteitages betrugen 250.000 Mark. Man hatte sich von dieser Inszenierung gewünscht, sie werde als Wahlwerbung ausreichen. Doch der dann in Berlin gefaßte Beschluß, den Soli abzusenken, machte alle zuvor erhofften Werbewünsche zunichte. Die FDP hatte ein Eigentor geschossen. Generalsekretär Westerwelle betonte gestern erneut, daß er gegen den Beschluß zum Soli gestimmt habe. In Leipzig wird der übrige Teil des Wahlprogramms abgesegnet. Beim Parteitag Ende August steht dann die Koalitionsaussage im Mittelpunkt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen