: Produktpiraterie mit Basmatireis
■ Nobelpreisträgerin Vandana Shiva über Konzerne, die Patente auf biologische Arten anmelden wollen, und die Interessen der Bauern
Vandana Shiva, Trägerin des alternativen Nobelpreises, reist heute nach Bratislava. Dort findet die vierte Vertragsstaatenkonferenz zum Schutz der biologischen Vielfalt statt. 1992 war dazu eine internationale Konvention in Rio verabschiedet worden. Jetzt geht es um die Konkretisierung des Vertragstextes.
taz: Erwarten Sie von der Konferenz mehr als wohlklingende Absichtserklärungen?
Vandana Shiva: Die zentrale Frage ist, welchen Status das Wissen der indigenen Völker bekommt. Bauern und Frauen sind Innovatoren, was das Saatgut angeht. Indigene Stämme haben herausgefunden, welche Pflanzen heilend wirken. Jetzt wollen große Firmen aus den Industrieländern dieses Wissen vereinnahmen und vermarkten. Die Konvention von 1992 schreibt ja vor, daß das Wissen von indigenen Völkern geschützt werden soll. Das ist bisher aber fast nicht konkretisiert worden. Und es widerspricht dem Welthandelsabkommen WTO, das traditionelles Wissen nicht schützt und statt dessen ein Urheberrecht im Sinne der großen Firmen festschreibt. Das muß revidiert werden.
Welche Positionen stehen einander gegenüber?
In Bratislava gibt es zwei Hauptpositionen. Auf der einen Seite stehen die Länder der Dritten Welt, wo es viele kleine Bauern gibt. Sie wollen den freien Zugang zur biologischen Vielfalt betonen, so wie es ja auch in der Konvention formuliert ist. Das trifft auf alle Länder Afrikas, viele asiatische und lateinamerikanische Länder zu; nicht dabei ist dagegen zum Beispiel Argentinien, wo es riesige Farmen gibt. Unterstützt wird diese erste Gruppe von Skandinavien. Auf der anderen Seite stehen die Industrieländer, allen voran die USA und weit vorne auch Deutschland, die der biologischen Vielfalt keinen Eigenwert zumessen, sondern sie als Rohmaterial für die Industrie sehen. Ihnen geht es vor allem darum, freien Zugang für die Konzerne zu diesen Ressourcen durchzusetzen.
Wie funktioniert diese Vereinnahmung des traditionellen Wissens?
Die Ausbeutung soll durchgesetzt werden mit Patenten. Ressourcen, die bisher für alle kostenlos zugänglich waren, beanspruchen jetzt zunehmend Konzerne aus den Industrieländern für sich. Diese Monopolisten wollen abkassieren, sobald wir eine Saat oder eine Medizin benutzen. Diese Biopiraterie ist eine Epidemie dieses Jahrzehnts. Alle Patente auf Leben stammen aus den vergangenen acht Jahren, die meisten sogar erst aus den letzten fünf Jahren. Zwar werden nicht alle Patente gegenwärtig genutzt. Aber langfristig ist das möglich.
Gibt es konkrete Beispiele?
Die Patentierung von Basmatireis durch die texanische Firma Rice Tec ist ein aktuelles Beispiel. Der Konzern hat hier Saatgut gekauft und es mit anderen Reissorten gekreuzt. Rausgekommen ist eine Sorte, die genauso schmeckt und aussieht wie Basmati. Dennoch hat die Firma ein Patent für eine „neue Reissorte“ angemeldet und in den USA auch bekommen. Das Patent bezieht sich sogar auf alle Sorten, die so ähnlich sind – also auch auf den indischen Basmatireis. Die USA üben zur Zeit massiven Druck auf die indische Regierung aus, damit sie alle US- Patente anerkennt. Wenn das passieren würde, müßten die indischen Bauern, die Basmati anpflanzen, Lizenzgebühren an Rice Tec zahlen. Anfang April gab es hier Massendemonstrationen, die den USA vorwarfen, daß sie Produktpiraterie schützen. Die Regierung vertritt inzwischen auch diese Position. Aber der Druck aus den USA ist enorm groß. Wir wollen deshalb erreichen, daß die verfeindeten Regierungen in Pakistan und Indien an diesem Punkt zusammenarbeiten, denn Basmati stammt aus Pakistan und Indien. Wenn das Basmati-Patent hier zum Friedensstifter würde, wäre das ein hervorragender Nebeneffekt. Und es gibt auch Solidarität von anderer Seite: Ein Vertreter einer Fair-trade-Organisation war auch schon hier. Wir haben ein „Patentfrei“-Label diskutiert.
Die Position vieler regierungsunabhängigen Organisationen ist, daß die Bauern der sogenannten Dritten Welt an der „Inwertsetzung“ der genetischen Ressourcen beteiligt werden müssen. Sind Sie gegen jede Kommerzialisierung?
Zunächst muß auf jeden Fall sichergestellt sein, daß die Leute weiter kostenlosen Zugang zu den genetischen Ressourcen haben, die seit Jahrhunderten in ihrem Wald oder Hinterhof wachsen. Natürlich ist eine wirtschaftliche Nutzung denkbar – kleine Pharmafirmen stellen in Indien seit langem Medizin her aus Pflanzen und verkaufen sie auch. Aber da geht es um einen lokalen Markt und nicht um die weltweite Monopolisierung.
Wie weit ist der Prozeß der Aufteilung der genetischen Ressourcen schon fortgeschritten?
Diese Entwicklung ist schon voll im Gang. Bis vor fünf Jahren kam 80 Prozent des Saatguts bei uns aus Indien selbst. Heute sind es etwa 60 Prozent, schätze ich. Viel importiertes Saatgut besteht aus Hybridsorten, die nicht mehr weitervermehrt werden können. Und die großen Saatfirmen interessieren sich nicht dafür, ob die Pflanzen langfristig geeignet sind für unsere Böden. Im letzten Jahr haben sich 600 indische Bauern das Leben genommen, weil sie auf internationales Saatgut umgestiegen waren und die Ernte die Schulden nicht decken konnte.
Was wollen Sie nun konkret auf der Konferenz in Bratislava?
Wir hoffen, eine dauerhafte Arbeitsgruppe auf UN-Ebene durchzusetzen, die sich mit dem Widerspruch von WTO-Vereinbarung und der Konvention von Rio auseinandersetzt. Die Struktur der WTO ist so angelegt, die Lebensgrundlagen der Menschheit zu zerstören. Und sie stellt eine große Gefahr für die Demokratie dar, weil immer weniger Menschen ihr Leben frei bestimmen können. Interview: Anne Barthel
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