: Guter Schröder, schlechter Schröder
■ Wie der SPD-Kanzlerkandidat in einer RTL-Seifenoper zu seinem wahren Selbst findet
Potsdam (taz) – Mit Wolfgang Bahro hätte Gerhard Schröder sich besser nicht angelegt. Denn Bahro sagt nicht umsonst von sich: „Ich spiele den JR der Serie.“ Selbst in der Drehpause, im Erfrischungsraum neben den Studios der RTL-Soap „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“, entfaltet der Schauspieler die Aura eines Bösewichts: Die Nase, die Frisur und die Bügelfalten – alles an Bahro ist scharf geschnitten. Jetzt hat Gerhard Schröder JR verärgert, und also erzählt dieser mit einem maliziösen Lächeln, wie sehr der SPD- Kanzlerkandidat bemüht war, sich als Gast in einer Serie, deren Einschaltquoten jede Bonner Elefantenrunde in den Schatten stellen, in ein vorteilhaftes Licht zu rücken.
Im Grunde ist es ganz einfach: Mit einem Bösewicht wollte Gerhard Schröder nicht vor die Kamera treten. „Ich werde von meiner Konkurrentin beschuldigt, Kinder mißbraucht zu haben“, umreißt Bahro seine Rolle als Rechtsanwalt, der für fiese Tricks bekannt ist. Vielleicht weil die Drehbuchschreiber von Schröders mephistophelischem Charme fasziniert waren, vielleicht auch nur, weil der Politiker selbst Anwalt ist, schrieben sie den beiden eine gemeinsame Szene. Skript für Schröder: „Genialer Schachzug, Herr Kollege.“ Das Veto aus der SPD- Zentrale kam prompt. Da half es auch nichts, daß sich JR gegen den Kinderschändervorwurf wehrt: „Das ist eine Rufmordkampagne.“ Die SPD blieb hart. „Jetzt ist er aufgetreten mit den jungen, schönen Sympathieträgern“, sagt Bahro, und seine Gesichtszüge werden noch eine Spur schärfer.
Zwei Minuten dauert Schröders Auftritt, und auffallend dabei ist vor allem, wie wenig der Mann auffällt. Das gut gefönte Haar, als er vom Tisch im Serien-Lokal „Fasan“ aufsteht. Das intensive Leuchten in den Augen, als er mit Blick auf herumstehendes Porzellan fragt, wer denn da Polterabend feiere. Die routinierte Herzlichkeit, mit der er dem Bräutigam die Hand schüttelt. Gerhard Schröder spielt nicht den Serienheld, er entpuppt sich als einer.
„Die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit verschwimmt“, kommentiert philosophisch Wolfgang Thierse, stellvertretender SPD–Vorsitzender, der im Erfrischungsraum die Fernsehaufzeichnung auf einem Bildschirm verfolgt. Die Fernsehgebote der Vereinfachung und Ästhetisierung würden eben zunehmend in die Politik drängen. Macht sich der Bart- und Langhaarträger da keine Sorgen um seine Karrierechancen? „Ich habe halt kein so charaktervolles Gesicht wie der Herr Schröder. Wenn ich dort auftreten würde – da würde jeder denken, es wäre was schiefgelaufen.“
Draußen vor der Tür steht Susi, 14 Jahre. Sei doch klar, daß Schröder sich bei den Fans anbiedern wolle, meint sie verächtlich. Bei ihr habe er damit keinen Erfolg, ergänzt Didi aus Potsdam. „Wir sehen doch die Serie ganz anders als die sechs Millionen in Rheinland- Pfalz.“ Patrik Schwarz
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