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Die Bonner CDU bewertet den Abbruch der Sondierungsgespräche in Sachsen-Anhalt durch die SPD als Steilvorlage für ihren Bundestagswahlkampf. Manch einer in der SPD-Spitze meint, es wäre besser gewesen, das Modell der Minderheitsregierung of

Die Bonner CDU bewertet den Abbruch der Sondierungsgespräche in Sachsen-Anhalt durch die SPD als Steilvorlage für ihren Bundestagswahlkampf. Manch einer in der SPD-Spitze meint, es wäre besser gewesen, das Modell der Minderheitsregierung offensiv zu vertreten.

Höppner lassen Bonner Wünsche kalt

Welch ein schöner Tag für den in den letzten Wochen arg gebeutelten CDU-Generalsekretär Hintze. Erst strahlender Sonnenschein, dann fällt die Plakataktion „Unser Aufschwung kommt“ mit der Verkündung der relativ positiven Arbeitsmarktzahlen zusammen, und dann, als Krönung, scheitern die Gespräche zwischen SPD und CDU über eine Große Koalition in Sachsen-Anhalt. Auf diese Steilvorlage für den Bundestagswahlkampf hat Peter Hintze nur gewartet.

Wie ein Schwein suhlte er sich sogleich im Schlamm der Wahlkampfpropaganda. Zum Abbruch der Koalitionsverhandlungen „durch“ die Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt erklärte er, wie nur er es kann: „Es ist erschreckend und bedrückend, daß angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der wirtschaftlichen Misere in Sachsen-Anhalt die Sozialdemokraten die ihnen gereichte Hand brutal ausschlagen und auf den SPD/PDS-Pakt setzen.“

Ist die SPD also tatsächlich an allem schuld? Und ist das Ergebnis wirklich so bedrückend, wie es Hintze vorgibt – oder vielmehr von der CDU gewollt? In der Bonner CDU war die Meinung über das Wunschergebnis in den letzten Wochen geteilt. Aufmerksam wurden in der Zentrale die ungewöhnlich vielen Anrufe und Briefe von Bürgern zu diesem Thema registriert.

Die einen sagten: Soll sich die SPD doch von der PDS tolerieren lassen, etwas Besseres kann der CDU für den Bundestagswahlkampf nicht passieren. Andere wollten die CDU in der Regierungsverantwortung sehen, um die radikalen Parteien PDS und DVU nicht durch eine Minderheitsregierung aufzuwerten. Eine eindeutige Präferenz der Anrufer, so heißt es, habe es aber nicht gegeben.

Die jetzigen Reaktionen der CDU-Akteure lassen vermuten, daß die CDU sich das Anprangern einer Minderheitsregierung nicht entgehen lassen wollte. Soviel Munition für die Hetze gegen die SPD hat die CDU schon lange nicht mehr gehabt. Wir haben es ja schon immer gewußt, heißt es jetzt triumphierend, und vor allem der Peter Hintze hat recht behalten: Die Sozis wollen in Wirklichkeit lieber mit der PDS paktieren als mit der CDU. Auch Schröder werde das nicht anders halten, wenn er nicht anders an die Macht gelangen könne.

Ein paar Pfeile hat auch die SPD im Köcher, wenngleich sie nicht ganz so scharf geschossen werden. „Ich weiß ja nicht, welche Direktiven aus dem Adenauer- Haus gekommen sind“, sagte SPD- Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering, „aber Hintze wollte unbedingt die Rote-Socken-Kampagne retten.“ Die CDU habe nie richtiges Interesse an einer Einigung gezeigt.

Trotz dieser Einschätzung wirkt die SPD in Bonn überrascht und tut sich schwer, das Ergebnis zu akzeptieren. Kanzlerkandidat Gerhard Schröder bedauerte den Stand der Verhandlungen und drückte seine Hoffnung aus, daß noch nicht alle Gesprächsfäden abgerissen sind. Parteichef Oskar Lafontaine sagte der Bild-Zeitung, er setze weiter auf eine Große Koalition in Magdeburg. Franz Müntefering sagte, er hätte eine Große Koalition begrüßt und eigentlich auch nichts anderes erwartet.

Müntefering beteuert zwar, daß die Chancen der SPD für die Bundestagswahl durch das Ergebnis nicht gemindert werden, aber das ist nur die offizielle Siegeszuversicht. Aus der Umgebung Schröders verlautete, es handele sich um eine „hochgefährliche, strategisch problematische Situation“. Andere Genossen fürchten, die Partei befinde sich jetzt in der Rolle des Getriebenen. Es wäre besser gewesen, schon vor zwei Wochen das Modell der Minderheitsregierung offensiv zu vertreten und auf die Besonderheiten in Sachsen-Anhalt zu verweisen. Alle jetzigen Erklärungen klängen defensiv.

Dabei war Müntefering schon Anfang der Woche zurückgerudert, indem er eine Minderheitsregierung als „Option“ bezeichnet hatte. Doch war schwer abzusehen, ob es sich dabei um ein taktisches Manöver handelte, um die ostdeutschen Genossen nicht zu einer Trotzreaktion zu verleiten, oder wirklich um ein Rückzugsgefecht. Denn eins ist bis heute klar: Alle Spitzenpolitiker aus der Bonner SPD wollen für Magdeburg eine Große Koalition. Es galt als ausgemacht: Wenn die DVU in den Landtag einzieht, kommt nur eine Große Koalition in Frage. Markus Franz, Bonn

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