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Atomtransporte außer Kontrolle

Mangelhaft getestete Behälter 15 Jahre in Deutschland unterwegs. BMU: „Wir sind verspätet informiert worden.“ Grüne fordern Überprüfung aller Castoren  ■ Aus Berlin Peter Sennekamp

Die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung in Sachen Atomtransporte befindet sich im freien Fall. Gestern mußte die Bundesregierung nach Recherchen der taz und einer kleinen Anfrage der Grünen-Abgeordneten Ursula Schönberger im Bundestag bestätigen, daß allein in den vergangenen drei Jahren 45 Atommülltransporte in Deutschland durchgeführt wurden, ohne daß für deren Transportbehälter ausreichende Sicherheitsnachweise vorlagen. Die fehlenden Nachweise betreffen den Behältertyp NTL 11 des Atomkonzerns British Nuclear Fuels (BNFL). Im März waren drei Falltests mit NTL 11-Behältern an ihrer fehlerhaften Konstruktion gescheitert.

Die Bundesregierung machte in ihrer Antwort die „multilaterale Genehmigungspraxis“ für das Versagen der Behörden verantwortlich. Darum habe das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erst „am 18. März 1998 alle auf der englischen Behälterzulassung des NTL 11-Behälters beruhenden Beförderungsgenehmigungen widerrufen“ müssen, als die Testergebnisse offiziell vorlagen. Die Behälter wurden in den vergangenen fünfzehn Jahren für Atommülltransporte zwischen den deutschen Atomkraftwerken Krümmel und Neckarwestheim und den Wiederaufarbeitungsanlagen im französischen La Hague sowie dem britischen Sellafield eingesetzt.

Eine Erklärung für die fehlgeschlagenen Sicherheitstests lieferte die Bundesregierung allerdings nicht: „Zum jetzigen Zeitpunkt ist keine abschließende Aussage möglich, warum die Stoßdämpferbefestigung (des Behälters, d. Red.) bei dem Falltest im Februar versagt hat“, hieß es in der lückenhaften Formulierung. So fehlt auch der Beleg, seit wann die zuständigen deutschen Behörden über das Sicherheitsrisiko informiert waren.

Gegenüber der taz beteuerte das Bundesumweltministerium, es sei vom BfS erst mit zweiwöchiger Verspätung unterrichtet worden, weil keine Dringlichkeit vorlag. Doch bereits seit einem Jahr hatten das französische Strahlenschutzinstitut (IPSN) und die zuständige Behörde (DSIN) Sicherheitsnachweise und nachträgliche Tests von der britischen Herstellerfirma British Nuclear Fuels gefordert. Erst gestern bestätigte das Bundesamt für Strahlenschutz, von dem monatelangen französisch-britischen Disput über fehlende Sicherheitsnachweise schon im vergangenen Jahr gewußt zu haben. Die Bundesregierung erklärte zudem, daß Sicherheitstests für Atommüllbehälter häufig nur auf „rechnerischen Nachweisen“ basieren, die mit „hochwertigen Rechenprogrammen durchzuführen“ sind.

Für zwölf deutsche Behälter- Baureihen, darunter elf Castoren, wurden bislang keine Falltests durchgeführt. Für diese Behälter, mit denen „keine Versuche mit Versandstückmustern oder Modellen der Behälter durchgeführt wurden“, liegen laut Bundesregierung lediglich „Ähnlichkeitsbetrachtungen unter Verwendung von Ergebnissen aus Versuchen mit bauähnlichen Behältern“ vor. Darum bezweifelt die Europaabgeordnete der Grünen, Undine von Blottnitz, auch die Sicherheit der Castorbehälter. Sie fordert eine „Überprüfung aller in der Bundesrepublik eingesetzten Behälter“.

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