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Endstation Sehnsucht nach Steuergeld

■ BVG-Finanzvorstand Niklas: Drastische Kürzung der Zuschüsse durch den Senat und finanzielle Altlasten sind verantwortlich für die Notlage des Unternehmens. Ohne staatliche Hilfe ist die BVG in Zukunft

Ohne eine massive finanzielle Unterstützung durch das Land Berlin und ohne weitere Erhöhung der Tarife wird die BVG in Zukunft nicht überlebensfähig sein. Vor allem die Bezahlung nach dem Bundesangestelltentarif BAT und die Versorgungsleistungen für die MitarbeiterInnen tragen dazu bei, daß „die BVG gegenüber Konkurrenten nicht mithalten kann“. Das hat der Finanzvorstand des Unternehmens, Joachim Niklas, im taz- Interview erklärt.

Gleichzeitig kündigte Niklas an, „mittelfristig“ würden die Tarife weiter steigen. Auch der Personalabbau bei der BVG soll weitergehen: Von den einst 28.000 MitarbeiterInnen aus dem Jahr 1994 hat das Unternehmen bereits mehr als 10.000 Stellen abgebaut, „aber wir wollen weiter bis auf etwa 12.500 reduzieren“, so Niklas.

Verantwortlich für die finanzielle Misere bei der BVG ist nach Ansicht des Finanzvorstandes und ehemaligen SPD-Abgeordneten Niklas die Kürzungspolitik des Senats. Von ursprünglich 1,5 Milliarden sei der jährliche Zuschuß „innerhalb von drei Jahren um 600 Millionen jährlich“ reduziert worden. „Wir haben das Land in diesen vier Jahren pro Jahr strukturell um eine Milliarde Mark entlastet“, rechnet er vor. Er warb für das Modell des BVG-Vorstandes, nach dem die BVG zweigeteilt werden solle: Eine öffentlich-rechtliche Anstalt solle die Infrastruktur wie Schienen und Fahrzeuge warten und bereitstellen, eine neu zu gründende Aktiengesellschaft den Betrieb sicherstellen. Die finanziellen Altlasten sollen bei der öffentlich- rechtlichen Anstalt verbleiben.

Entgegen jüngsten Erklärungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist für Niklas, der jahrelang selbst an diesem Institut arbeitete, die Höhe des Fahrpreises kein Grund für den dramatischen Rückgang bei den BVG-Kunden. Im Gegenteil seien die Monatskarten und die längeren BVG-Fahrten in Berlin „außerordentlich preiswert“. Bei der Tarifhöhe müsse sich das Unternehmen an dem Niveau von Hamburg und München orientieren, „auch wenn man dafür keinen Beifall bekommt“. So könnte etwa die Schülermonatskarte weiter bis auf etwa 75 Mark steigen.

Eine stärkere eigene Rolle der BVG in der Verkehrspolitik sieht Niklas nicht als erstrebenswert an. Beim Streit um die Pré-Metro durch die Leipziger Straße, den umstrittenen U-Bahnbau in Pankow oder die Beschleunigung der Straßenbahn habe das Unternehmen zwar versucht, Einfluß auf die Entscheidungen der Verwaltung zu nehmen. „Aber wenn die Entscheidung politisch gefallen ist, muß man von diesem Stand ausgehen.“ Bernhard Pötter

Interview Seite 23

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