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„Wir haben den Zorn auf uns gelenkt“

■ Andrea Fischer, sozialpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, zur Forderung ihrer Partei nach einem Fünf-Mark-Preis für Benzin. Ökopartei müsse beweisen, daß sie die soziale Frage verstanden habe

taz: SPD-Kanzlerkandidat Schröder flüchtet vor Gerechtigkeitsdebatten und beschwört die Eigenverantwortung. Trifft er damit den Nerv der Wähler? Wollen die noch was von Umverteilung hören?

Andrea Fischer: Eine der ganz großen Fragen des Wahljahres ist doch eine Verteilungsdiskussion – nämlich die Umverteilung der Arbeit. Damit die möglich ist, muß auch sozialpolitisch viel passieren. Und bei der Reform der sozialen Sicherungssysteme werden wir immer wieder an komplizierte Umverteilungsfragen stoßen. Nichts anderes steckt doch hinter der allgegenwärtigen Frage: Wer soll das bezahlen?

Die Fünf-Mark-Benzinpreisdebatte zeigt, daß die Leute Angst davor haben, daß der Staat ihnen noch mehr Geld abknöpft. Man fürchtet die Abgaben, die Sozialleistungen scheinen selbstverständlich.

Da ist was dran. Das ist vielleicht eine Erklärung dafür, daß wir mit dem Ökosteuerbeschluß zum Benzinpreis ein solches Drama auslösten. Der zweite Teil des Beschlusses, daß wir nämlich an anderer Stelle was senken, ist schon gar nicht mehr angekommen bei den Leuten. Wir haben damit den Zorn auf die Abgabenlast der Ära Kohl auf uns gelenkt – jetzt müssen wir beweisen, daß wir ÖkologInnen sind, die die soziale Frage verstanden haben.

Die PDS stritt neulich, ob Vermögen ab 300.000 Mark oder erst ab 500.000 Mark besteuert werden sollen. Haben die Grünen mit solchen Verteilungsfragen noch was am Hut?

Durchaus. Die Mehrkosten, die für die Grundsicherung entstehen würden, wollen wir über eine höhere Erbschaftssteuer und die wieder eingeführte Vermögenssteuer reinholen. Wir befürworten auch eine Besteuerung der Aktiengewinne.

Die PDS stellt sich als einzige Umverteilungspartei dar.

Wir machen es uns nicht so einfach wie die PDS, die sagt, wir holen uns das bei irgendwelchen bösen Millionären. Es gibt zwar viele Millionäre, aber eben doch nicht genug. Selbst wenn man alle Millionäre hoch besteuern würde, käme in der Summe nicht genug raus, um die Finanzierungsprobleme der sozialen Sicherung zu lösen. Das Wesen von Reichtum ist die Ungleichheit, und die besteht darin, daß es oben nicht so viele gibt wie unten. Wir geben im Jahr allein 400 Milliarden Mark für die Rentenversicherung aus. Da könnte ich die Millionäre noch so hoch besteuern, das Geld würde niemals reichen.

Muß man mehr Geld aus der Mitte der Gesellschaft holen?

Wir wollen etwa bei der Rente nicht nur eine Umfinanzierung durch die Ökosteuer. Auch unter Rentenzahlern und Rentenempfängern muß umverteilt werden. Die Senkung des Rentenniveaus wird in unserem Konzept hohe Renten treffen. Eigenes Einkommen soll stärker auf Hinterbliebenenrenten angerechnet werden – dies ist nichts anderes als Umverteilung innerhalb derjenigen, die Rente bekommen.

Das betrifft die ehemals berufstätigen Witwen und die besser gestellten Rentner.

Es ist keine Umverteilung, die niemandem weh tut, wo wir sagen, wir treffen nur drei Millionäre. Das ist schon anspruchsvoller, was die Gerechtigkeitsfrage anbelangt.

Heißt das, die Verteilungsdebatten werden komplexer?

Die sozialdemokratische Variante von Sozialpolitik in der Nachkriegszeit konnte der Umverteilungsfrage mit den Reichen ausweichen, weil es stetiges Wachstum gab. Man konnte konfliktfrei aus dem Wachstum verteilen. Das wird es so nicht mehr geben. Also muß man genauer hingucken und die Frage stellen: Was wollen wir eigentlich unterstützen?

Und das wäre?

Jedes einzelne System hat eine andere Gerechtigkeitslogik. Zum Beispiel in der Krankenversicherung gibt es ein Umverteilungselement, nämlich daß Kinder beitragsfrei mitversichert sind.

Weitere Beispiele?

Das gleiche gilt für das Ehegattensplitting, das wir zugunsten eines erhöhten Kindergeldes reduzieren wollen. Das ist ebenfalls eine Umverteilung von verheirateten Paaren ohne Kinder zu Eltern mit Kindern. Interview: Barbara Dribbusch, Annette Rogalla

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