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Ohne Eigeninteressen für die Umwelt

■ In einer Neufassung des Hamburger Naturschutzgesetzes sollen Umweltschutzverbände mehr Rechte erhalten

Mehr Rechte für Umweltschutzverbände: Das Hamburgische Naturschutzgesetz wird novelliert. Künftig sollen Organisationen wie BUND, Förderkreis Rettet die Elbe oder Nabu die Möglichkeit haben, als Verband gegen umstrittene Eingriffe in den Naturhaushalt, beispielsweise ins Mühlenberger Loch, klagen zu können. Bislang konnte in Hamburg nur vor Gericht ziehen, wessen direktes Eigeninteresse durch die geplante Naturzerstörung verletzt wurde.

Sprich: Man mußte schon Anwohner sein, um sich gegen die Hafenerweiterung in Altenwerder oder den Bau einer Autobahn wehren zu können. Die Begründung, man vertrete die Interessen der Natur, reichte nicht für eine Klage. Nur die Elbfischer, die nachweisen konnten, daß die Elbvertiefung ihre Fanggründe vernichten würde, schafften es, sich mit ihren Einwänden gegen die Fahrrinnen-Ausbaggerung juristisch durchzusetzen.

Auf direkte Betroffenheit soll es künftig nicht mehr ankommen, wenn das, was die Bürgerschaft am Mittwoch abend beschloß, umgesetzt wird: Bis zum 30. Juni soll der Senat herausfinden, wie andere Bundesländer mit dem „Verbandsklagerecht“ umgehen; diese „Erkenntnisse“ sollen im neuen Hamburgischen Naturschutzgesetz berücksichtigt werden.

Die „Optimierung des Verbandsklagerechts wäre optimal“, lobte gestern der Hamburger Rechtsanwalt Martin Hack, der unter anderem die Kläger von Altenwerder vertrat. Andere Länder wie Schleswig-Holstein seien in dieser Frage „viel weiter“: So könnten BUND und Nabu problemlos gegen die Ostseeautobahn A 20 klagen. In Hamburg dagegen, so der Jurist, gebe es ein „Kontrollvakuum“. Derzeit hätten die Verbände nur in einem einzigen Fall das Recht zu klagen: Wenn die Fläche, die zerstört werden soll, bereits als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist.

Das aber ist selten: Das einzige bekannte Projekt, das Hamburger Naturschutzverbände per Klage verhindern konnten, war ein geplantes Informationszentrum im Naturschutzgebiet Boberger Dünen. Die meisten schützenswerten Freiflächen aber sind nicht als NSG ausgewiesen, Beispiel Mühlenberger Loch: Das Feuchtgebiet in Finkenwerder ist zwar unbestritten eine ökologisch wertvolle Fläche, das weiß sogar die Europäische Kommission. Dennoch, so Hack, „gibt es nach dem aktuellen Stand keine rechtliche Chance, die Dasa-Werkserweiterung zu verhindern“.

Der Grund: Das Ökotop ist im alleinigen Besitz der Stadt. Folglich würden ausschließlich deren Interessen beeinträchtigt. AnwohnerInnen, die Lärm oder Wertminderung ihres Grundstücks durch den Eingriff befürchten und deswegen klagen könnten, gibt es nicht. Die Naturschutzverbände, so Hack, könnten derzeit also höchstens Beschwerde in Brüssel einlegen.

Daß Hamburg die Gesetzesnovelle so schnell hinkriegen will, daß Klagen gegen das Mühlenberger Loch zulässig werden, bevor es zubetoniert wird, darf bei aller Euphorie aber wohl bezweifelt werden. Heike Haarhoff

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