piwik no script img

Steuerparadies Deutschland

Der Euro kommt, gemeinsame Steuersysteme aber wird es im Euro-Land nicht geben. Waigel blockt, denn die Konzerne profitieren vom deutschen System  ■ Von Hermannus Pfeiffer

Hamburg (taz) – Der Autokonzern Chrysler weiß das deutsche Steuersystem zu schätzen. Bei seiner Fusion mit Daimler-Benz ließen sich die Amerikaner problemlos davon überzeugen, dem künftigen Gemeinschaftskonzern die Rechtsform einer deutschen Aktiengesellschaft zu geben. Und das, obwohl damit auch lästige Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer verbunden sind. Denn mit Hilfe des deutschen Rechts muß die neue profitable Riesen-AG in den nächsten Jahren kaum Steuern zahlen, weil Daimler-Benz noch eine Weile seine Verluste aus den Vorjahren steuermindernd geltend machen kann. Diese sogenannten Verlustvorträge können beim Finanzamt von dem zu versteuernden Gewinn abgezogen werden.

Kein Wunder, daß Finanzminister Theo Waigel das Thema Steuerharmonisierung nur mit spitzen Fingern anpackt. Steueroasen werden auch im zukünftigen Euro- Land zunächst nicht austrocknen. Weder Luxemburg noch Irland oder das österreichische Kleinwalsertal stehen nach den Euro-Beschlüssen am ersten Maiwochenende auf der politischen Abschußliste. Während die Regierungen ihre Kriterien für Staatsverschuldung, Zinsen und Inflation der elf Euro-Länder abhakten, existieren weiterhin für die künftige Steuerpolitik der Wirtschafts- und Währungsunion nur vage Vorstellungen.

Dabei unterscheiden sich die Steuern und ihre Sätze in den einzelnen Mitgliedsstaaten erheblich, und Einheit besteht bislang nur in der Möglichkeit, ab 1999 die Steuererklärung in Euro auszufüllen. Dadurch bietet sich so manchem Staat eine Chance, den verlorenen wirtschafts- und geldpolitischen Spielraum durch nationales Steuerdumping auszugleichen.

Am 1. Dezember hatten sich die EU-Finanzminister auf einen Verhaltenskodex gegen „unfaire“ Steuerpraktiken geeinigt. Aber mehr als eine unverbindliche politische Absichtserklärung, in fünf Jahren extreme Steuervergünstigungen abzuschaffen, kam dabei nicht heraus, obwohl erheblicher Handlungsbedarf existiert.

So ermittelte die Bundesbank für Deutschland eine Steuerquote von 23 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Damit liegt die Bundesrepublik aber keineswegs, wie von Politikern und Unternehmerlager gebetsmühlenartig wiederholt, am oberen Ende der Steuerschlange. In Großbritannien beträgt die Marge immerhin 28 Prozent, in Österreich 30 und in Dänemark sogar 49,7 Prozent.

Steuersätze sind eben längst nicht alles. Unternehmen in Deutschland zahlen, gemessen an ihren Gewinnen, immer weniger Steuern. So sank die Gewinnsteuerquote seit 1980 von fast 40 Prozent auf unter 25 Prozent. Von 100 Mark Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen landen keine 25 Mark mehr im Staatssäckel, ermittelte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Möglich wurde die reale Steuersenkung durch Bilanzflucht in Billigsteuerländer, durch sogenannte Scheinverluste, degressive Abschreibung und natürlich auch durch Wirtschaftskriminalität.

Auch von Sonderabschreibungen, Verlustvorträgen aus der zurückliegenden Rezession, profitieren deutsche Wirtschaft und propere Privatanleger und zunehmend von „steuertechnischen Verlusten“, wie der Rechnungshof Baden-Württemberg in einer Denkschrift beklagte. Die entstehen, wenn ertragsstarke Konzerne Pleitefirmen aufkaufen, allein um deren hohe Verlustvorträge sich selbst steuerschmälernd anrechnen zu lassen.

In den Stellungnahmen der Bundesregierung wird solche systematische Steuererleichterung geleugnet – oder für notwendig erklärt: Sie sei „keine Klientelwirtschaft“, sondern notwendig in der internationalen Konkurrenz der Standorte. So hält sich die Bundesrepublik konsequenterweise vornehm zurück, wenn es um die von einigen Ländern angeregte Konvergenz der Steuersysteme im vereinten Europa geht: „Eine kurzfristige Angleichung in der EU ist von der Bunderegierung nicht vorgesehen“, sagt eine Sprecherin des Bundesfinanzministers Waigel der taz.

Dabei könnte etwa die Mehrwertsteuer eine Angleichung durchaus vertragen – bislang variieren die Sätze in Euro-Land noch zwischen 1,15 und 25 Prozent. Solche ehrgeizigen Ziele verfolgt die Bundesregierung nicht. Lediglich die blühenden Steueroasen für Finanzanlagen sollen ausgetrocknet werden. Trotzdem scheiterte der Brüsseler Kommissionsvorschlag einer einheitlichen Quellensteuer von 15 Prozent auf Erträge aus Sparkapital auch am deutschen Widerspruch. Nutznießer ist weiterhin der Finanzplatz Luxemburg, faktisch ein Ableger der Frankfurter Großbanken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen