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Ein Knockout für die Mucker

„Arena“ war eine Sportzeitschrift, die „Sport als geistige Tätigkeit“ definierte. Bertolt Brecht publizierte dort sein Fragment der Geschichte vom Boxer Samson-Körner  ■ Von Martin Krauß

Zum Brecht-Jahr ist zugegebenermaßen einiges gesagt worden. Eines vielleicht noch nicht: Von dem Dramatiker, der in diesem Jahr hundert geworden wäre, gibt es nicht nur etliche bekannte Texte zum Sport, es existiert auch das kaum bekannte Fragment einer Erzählung, publiziert in einer der bemerkenswertesten Zeitschriften der Weimarer Republik. Brechts Erzählung „Der Lebenslauf des Boxers Samson-Körner“ erschien in Die Arena. Das Sportmagazin.

Unter der Leitung von Franz Höllering versammelte sich 1926/27 in Berlin-Charlottenburg die sportbegeisterte Intelligenz der Weimarer Republik: Egon Erwin Kisch schrieb „Wenn ein Fußballer nicht antritt“, Richard Hülsenbeck über „Sport an Deck“, Wieland Herzfelde berichtete über „Leichtathletik“, John Heartfield illustrierte eine Geschichte mit „Photoscherzen“, Käthe Haar, die Prager Korrespondentin des Blattes, diskutierte die Frage „Ist Charleston Sport?“, Richard Dehmel veröffentlichte das „Lied beim Segeln“ und Joachim Ringelnatz sein berühmtes „Fußball“-Gedicht.

Zu den Autoren von Arena gehörte auch Carl Diem, der Organisator der ausgefallenen Olympischen Spiele 1916 und später der Spiele 1936, in den zwanziger Jahren war er Generalsekretär des deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen. Ein Artikel von ihm erschien in der allerersten Ausgabe. Er fand sich unmittelbar unter einem Editorial, das die Beispiellosigkeit dieser bemerkenswerten Zeitschrift noch einmal hervorhebt:

„Die ,Arena‘ will keines der landläufigen Magazine werden, das sich von diesen nur dadurch unterscheidet, daß in ihm das Thema Sport betont wird. Sie will, das gesunde Unterhaltungsbedürfnis des allgemeinen Publikums auf interessante und niveauvolle Weise befriedigend, wirklich eine Arena sein, in der es Sieger und Besiegte gibt.

Sport bedeutet mehr als regelmäßige Leibesübungen. Er ist eine geistige Angelegenheit. Als tätiger Ausdruck antiphiliströser Lebensauffassung hat er Feinde in tausend Verkleidungen. Die schlimmsten sind die falschen Freunde, die Mucker und die sensationsgierigen Snobs. Sie alle sollen in der ,Arena‘ knock-out geschlagen werden.“

Eine solche Blattkonzeption, verstärkt durch Fotomontagen und Zeichnungen im Stile der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung, hat es noch nie gegeben. Sie ließ nicht nur Texte von Diem zu, sondern auch boxanalytische Betrachtungen des Schwergewichtlers Franz Diener: „Mein größter Erfolg. New York, 9. Oktober 1926“ über seinen Punktsieg im Madison Square Garden über Knut Hansen. Es ist derselbe Diener, der am 4. April 1928 nach Punkten Max Schmeling unterlag und vor über dreißig Jahren in der Berliner Grolmanstraße die bis heute bei Boxern und Journalisten beliebte Kneipe „Diener“ eröffnete.

Ein Sportschwerpunkt läßt sich in Arena nicht ausmachen, aber Texte über Boxen und Boxer finden sich besonders häufig. Brechts Erzählfragment schildert das Leben von Paul Samson-Körner, einem sächsischen Boxer, der sich in den zehner Jahren in den USA einen guten Ruf erkämpfte, aber nie zu den ganz großen Ehren kam. Nach seiner Boxkarriere kehrte Samson-Körner nach Deutschland zurück, freundete sich mit Brecht an und arbeitete sogar bei der Arena mit.

Aus Gesprächen zwischen Brecht und Samson-Körner war die Idee einer Erzählung entstanden, woraus aber letztlich nichts wurde. Die Fragmente erschienen dann zunächst in Scherls Magazin und, als Arena gegründet war, sofort in dem neuen ambitionierten Blatt, das sie mit Illustrationen von Otto Schmalhausen präsentierte.

Brecht war der Arena sehr verbunden, in seinem Nachlaß finden sich alle fünf erschienenen Ausgaben des Blattes, und bei einem Preisrätsel, bei dem Leser „Sportkenntnis, Liebe zum Sport und – Geist zeigen“ sollten, saß er zusammen mit Samson-Körner, Höllering und Heartfield in der Jury.

Zur Veröffentlichung der Gewinner, die von Brecht und Samson-Körner gleichermaßen gelobt worden wären, kam es nicht mehr. Die Nummer 2/1927 (Februar/ März) war die letzte Ausgabe dieser schönen Zeitschrift.

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