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Italiens Justizminister bleibt im Amt

Nach der Flucht zweier Mafiosi aus dem Knast wollte Gianni Flick zurücktreten. Doch die Koalitionspartner und Regierungschef Prodi stärken ihm den Rücken  ■ Aus Rom Werner Raith

Eigentlich wollte Italiens Parlament diese Woche die neue Verfassung in erster Lesung verabschieden und dann Pläne für die Sommerferien schmieden. Doch nun erschüttert ein Skandal nach dem anderen die Regierung. Waren es Anfang Mai die Erdrutsche mit nahezu 150 Toten, die gravierende Mängel in den Schutzsystemen offenbarten, so erregte wenige Tage später die Flucht des zu acht Jahren Gefängnis verurteilten ehemaligen Chefs der illegalen Geheimloge „Propagana 2“, Licio Gelli, die Gemüter. Am vergangenen Mittwoch wurde eine noch spektakulärere Flucht bekannt: Der erfolgreichste Drogenboß der Welt, Pasquale Cuntrera, war plötzlich unauffindbar. Er war Anfang Mai freigelassen worden, weil die Höchstzeit für U-Haft abgelaufen war. Wahrscheinlich hat sich der seit Jahren an den Rollstuhl gefesselte Mann nach Venezuela abgesetzt, wo er zuvor sein kirminelles Weltreich aufgebaut hatte.

Nachdem Mittwoch nacht drei Männer aus dem Museum moderner Kunst in Rom drei wertvolle Gemälde entwendet hatten, war das Maß voll: Der parteilose Justizminister Gianni Maria Flick bot seinen Rücktritt an. Er übernehme die „politische Verantwortung“ schrieb er Regierungschef Romano Prodi, wies aber daraufhin, daß ein Teil der Skandale nicht in sein Ressort falle, sondern ins Innenministerium.

Dessen Amtschef, der Linksdemokrat Giorgio Napolitano, tut jedoch seit Wochen bei allen Fehlern der Polizei grundsätzlich so, als gehe ihn das nichts an. Ministerpräsident Prodi, der sich an Napolitano wegen dessen großer Hausmacht – er gilt als Anführer der „rechten“ Flügels der Linksdemokraten – nicht herantraut, wollte in dieser Situation seinen Justizminister offenbar nicht im Regen stehen lassen und berief einen Koalitionsgipfel ein. Und so erneuerten denn die Fraktionschefs gestern ihr Vertrauen in Gianni Flick, worauf dieser sein Rücktrittsgesuch zurückzog.

Ein Verhalten, das nicht nur die Opposition als „eine bloße Show“ geißelt. Auch regierungsnahe Organe wie la Repubblica finden es skandalös, wie sehr die „Minister der Mitte-links-Regierung an ihren Sesseln kleben“. Il manifesto möchte zudem gerne wissen, „was es denn bedeutet, wenn einer sagt, er übernimmt die politische Verantwortung – und bleibt dann im Amt“? Eine Antwort darauf wird die Regierung wohl nicht geben.

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