Zieh-Töne und ein Perlen

50 Jahre NABU-Vogelbespitzelung: Amsel, Specht und Grasmücke brachten auf dem Ohlsdorfer Friedhof ein Jubiläumsständchen  ■ Von Birgit Strietzel

„Aus der Richtung kommt ein Rotkehlchen.“ Christoph Zirpel vom Naturschutzbund (NABU) hebt den Arm und zeigt nach links. Unbeweglich steht er da, den Blick geradeaus gerichtet. 30 Augenpaare gucken erwartungsvoll an Zirpels Zeigefinger vorbei. Kein Rotkehlchen zu sehen. „Haben Sie's gehört?“ fragt Zirpel, „Zieh-Töne und dann ein Perlen.“ Ach, da war gar nichts zu sehen. 30 Paar Ohren lauschen. Auch nichts. Aber es war bestimmt das Rotkehlchen.

Die 30 Frauen und Männer sind die Festgäste der Jubiläumsführung des NABU: „50 Jahre – was singt denn da?“ Acht ehrenamtliche Ornithologen wurden zu diesem Anlaß am Mittwoch nachmittag im Hauptportal des Friedhofs Ohlsdorf geehrt. Sie sind die dienstältesten – seit über 20 Jahren begeben sie sich alljährlich nach Feierabend in Parks und Grünanlagen in und um Hamburg, um mit BürgerInnen den Vogelstimmen zu lauschen, die da gerade tönen.

Auf dem Ohlsdorfer Friedhof soll es laut Zählung 97 Vogelarten geben. Der Festgemeinde zeigt sich nur die Ringeltaube. Sie wandert gelassen quer über den Fußweg, scharf beobachtet von den Vogelguckern, die nach der Ehrung direkt losgezogen sind zur Führung in die friedhöfliche Parkanlage.

„Zilpzalp!“ Zirpel hat wieder was gehört. Die Aufmerksamkeit wandert von der Taube zu den Geräuschen im Geäst. „Zilp-zalp, zilp-zalp“, ahmt er den „kleinen grünen Vogel“ nach, „hören Sie's?“ 60 Ohren strengen sich an. Dieses Mal eindeutig erkannt. Na ja, ist ja auch „der zweit-einfachste Vogel nach dem Kuckuck“, sagt Zirpel.

Auf der Suche nach Vogelstimmen sind jedes Jahr ab April für den NABU „insgesamt 43 FührerInnen“ ehrenamtlich mit von der Partie, berichtet der NABU-Vorsitzende Rolf Bonkwald, „ganz unterschiedliche Leute“. Hobby-Vogelkundler Alfred Jacob zum Beispiel: Der pensionierte Justizbeamte hat seine Ehrung für 25 Jahre Vogelkundschaft mit Stolz entgegengenommen und bestätigt auf der Führung, was Zirpel da so hört.

„Eine Mönchsgrasmücke!“ Zirpels Finger geht nach oben. „Genau über uns“. Es wird gelauscht. „Schwarzes Köpfchen, helle Brust“, ergänzt Jubilar Joachim Sprengel, das Ornithologen-Handbuch unterm Arm. 30 Köpfe richten sich gen Himmel. Leider wieder nichts zu sehen – nur Umweltsenator Alexander Porschke, professionell mit Feldstecher ausgestattet, nickt wissend.

Die Gäste suchen noch hoffnungsfroh in den Zweigen, da ist der Vogelführer schon an der nächsten Lichtung: „Ein Buntspecht – ganz scharf, der Alarmruf der Amsel, der Lockruf eines Rotkehlchens!“ Zirpel zeigt wild in alle Richtungen. Emsiges Köpfewenden, reges Augenrollen. „Können Sie–s auseinanderhalten?“

„Eine Ausbildung geben wir unseren Vogelführern nicht mit auf den Weg, aber wer Ahnung hat, merkt man ganz schnell“, weiß Bonkwald, jetzt schon fast am Ende des Rundgangs. „Na, was haben wir alles gehört“, fragt Zirpel in die Runde. „Rotkehlchen, Mönchsgrasmücke, Buntspecht, Amsel ...“, zählen Kundige und weniger Kundige brav im Kreise auf – insgesamt 13 Vogelstimmen. Na immerhin. Nur das Gefühl, die Vögel jetzt richtig zu kennen, will sich nicht so recht einstellen. Aber zugeben mag das keiner.