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Sicherheit, Sauberkeit, Service

■ Seit Mitte der 80er wurde in Hamburgs S-Bahn keine Mark investiert. Neues Management arbeitet nun an Qualitätsrevolution

Hamburgs S-Bahn-Chef Peter Hofmann war 1968 gerade mal zwei Jahre alt. Und doch denkt der jüngste Bahn-Manager Deutschlands schon in historischen Dimensionen: „Statt Maos großem Sprung starten wir jetzt den Marsch durch die Institutionen.“ Eigentlich wollte der quirlige S-Bahn-Sanierer schon im Sommer diesen Jahres seine neue S-Bahn präsentieren. Technische Mängel der neuen S-Bahn-Züge, das Schneckentempo der Hamburger Verkehrspolitik und die Größe der Sanierungsaufgabe ernüchterten ihn. Der Optimismus blieb: „Ende 1999 wollen wir die S-Bahn für die Kunden deutlich verbessert haben.“

Nach einer Blitzkarriere im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr war Hofmann 1996 nach Hamburg gekommen, um als Projektleiter die Verselbständigung der S-Bahn durchzuführen. Was er vorfand, läßt ihn noch heute erschauern: „Ich habe selten ein Nahverkehrssystem gesehen, was derart rückständig war. Seit Mitte der 80er Jahre wurde hier keine müde Mark investiert.“ Damit nicht genug: Ein schlechtes Image, miese Stimmung bei den Mitarbeitern und Arbeitsplätze mit Funzelbeleuchtung – „ein Wunder, daß die unter solchen Bedingungen den Betrieb aufrecht erhalten haben“, lobt Hofmann.

Hauptgrund für den jämmerlichen Zustand des zweitgrößten HVV-Unternehmens, das immerhin 45 Prozent der Verkehrsleistung erbringt und 25 Prozent der jährlich 470 Millionen Fahrgäste befördert, ist nach Hofmanns Meinung der jahrzehntelange Schwebezustand: Seit 1976 verhandelten Bahn und Senat über Sanierung und Verkauf der S-Bahn. Erst 1995, als klar wurde, daß die Regionalisierung des ÖPNV das Geschäft mit dem Nahverkehr attraktiv machen würde, schwenkte die Deutsche Bahn AG um und entschloß sich, die S-Bahn zu behalten.

Seit seinem Amtsantritt im April 1997 räumt Hofmann nun auf. Dabei geht er ganz anders vor, als sein Hochbahn-Kollege Günter Elste. Ob Hofmann mit kleinen Investitionen die Arbeitsplätze attraktiver machte, ob die Öffentlichkeitsarbeit auf offensive Ehrlichkeit umgepolt wurde – allmählich machen sich innerhalb der S-Bahn erste Anzeichen einer Aufbruchsstimmung bemerkbar.

Handfester Beweis ist der deutliche Rückgang der Krankenquote auf nur noch 5,8 Prozent, der nicht etwa durch Druck, sondern durch einen neuen Führungsstil und gezielte Angebote, wie etwa eine „Rückenschule“ zustande kam. Wer sich bei der neuen Hamburger S-Bahn umschaut, kommt aus dem Staunen nicht heraus: Mit unglaublicher Geschwindigkeit wird hier aus einem verstaubten Unternehmen ein moderner Dienstleister, dem humane Arbeitsbedingungen und Kundenorientierung nicht modisches Lippenbekenntnis, sondern gelebte Praxis sind.

Das dürfte sich bald auch für die Fahrgäste bemerkbar machen. Neben den rund eine Milliarde Mark, die die S-Bahn in neue Fahrzeuge investiert, stehen für Hofmann Investitionen in Sicherheit, Sauberkeit und Service im Vordergrund. Hofmann will so mit der S-Bahn die Quadratur des Kreises schaffen: Zufriedenere und gesündere Mitarbeiter, mehr Fahrgäste und betriebswirtschaftlichen Erfolg.

Vorbild ist dabei nicht zuletzt die Pinneberger Verkehrsgesellschaft (PVG). Sie beweist seit Jahren, daß erfolgreiches offensives Handeln sich auszahlt: Die Öffentlichkeitsarbeit der PVG ist vorbildlich. In Pinneberg bietet man den MitarbeiterInnen eine hervorragende medizinische und psychologische Betreuung, glänzt mit modernem Management und dem niedrigsten Krankenstand aller deutschen Busbetriebe. Genau aus diesem Grund fährt die Pinneberger Verkehrsgesellschaft auch um 15 Prozent kostengünstiger als die Hochbahn-Busse; sie schreibt schwarze Zahlen und steigert ständig ihre Fahrgastzahlen. Hofmann sieht sich zumindest teilweise auf diesem Weg: „Unser Kostendeckungsgrad liegt schon heute mit über 60 Prozent um das Doppelte über dem der Berliner S-Bahn.“

Florian Marten

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