: Antrag auf Umzug in die Normalität
■ Hamburger Flüchtlingsrat will Massenunterkunft „Interrast“ international prüfen lassen. Bewohner beantragen Verlegung
Der Druck auf den Bezirk Mitte, Flüchtlinge nicht länger im Hotel „Interrast“ auf der Reeperbahn unterzubringen, wächst. Der Hamburger Flüchtlingsrat hat örtliche und internationale Organisationen sowie einflußreiche Persönlichkeiten über die „menschenunwürdigen und diskriminierenden Wohnbedingungen“ in der Massenunterkunft informiert: den UNHCR, die Weltgesundheits-Organisation, das europäische Parlament, Amnesty International, Pro Asyl, Bundespräsident Roman Herzog, das Hamburger Institut für Sozialforschung und die Bürgerschaft.
Der Flüchtlingsrat regte an, die Unterkunft durch eine internationale Kommission zu prüfen. Parallel beantragten 14 Familien, die im „Interrast“ leben, beim Sozialamt Mitte ihre Verlegung.
Für 700 Flüchtlinge bietet das Hotel an der Reeperbahn Platz, rund 500 leben zur Zeit dort. Sie beklagen überfüllte und feuchte Räume mit Schimmel an den Wänden, mangelhaften Sanitäreinrichtungen und Kakerlaken. Vor allem Familien mit Kindern finden ein Leben zwischen Prostitution und Zuhälterei unzumutbar. Die Psychologin Sabine Skutta, die unter den BewohnerInnen eine umfangreiche Befragung durchgeführt hat, schlußfolgerte schon im April, daß „den Kindern eine normale Entwicklung verwehrt“ werde.
Als der Hamburger Flüchtlingsrat damals JournalistInnen die Mißstände im „Interrast“ zeigte, betonte er, daß der Bezirk Mitte monatlich 450.000 Mark dafür bezahle, statt für das Geld menschenwürdigere Unterkünfte oder Wohnungen bereitzustellen. Der Sprecher des Bezirksamtes, Gerthold Roch, sagte gestern, daß das Sozialdezernat prüfe, einen Teil des „Interrast“ aufzugeben, noch ehe der Mietvertrag Anfang 2000 ausläuft.
Die BewohnerInnen des Hauses Nr. 154 wurden nach Informationen der taz bereits angeschrieben. Ihnen wurde jedoch nicht der Umzug in eine andere Unterkunft, sondern in einen anderen Teil des Hotels angeboten. Elke Spanner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen