: Die Söldner freuen sich über die vielen Aufträge
Private Sicherheitsdienste und Söldnerfirmen machen in weltweiten Krisengebieten immer bessere Geschäfte ■ Von François Misser
Brüssel (taz) – Der Fall Sandline, in dem der Regierung Großbritanniens vorgeworfen wird, wissentlich Waffenlieferungen einer Söldnerfirma an die Gegner einer Militärjunta in Sierra Leone toleriert zu haben, ist kein Einzelfall. In den vergangenen Jahren häufen sich Söldneraktivitäten weltweit – – vor allem in Afrika.
Etwa im Sudan. Dort baut die Firma Mannesmann zusammen mit einem internationalem Konsortium unter Führung der staatlichen chinesischen Ölgesellschaft eine 1.200 Kilometer lange Pipeline vom Ölfördergebiet Bentiu an der äthiopischen Grenze zum Roten Meer. Dieses Bauwerk soll nun gegen Angriffe der Rebellen geschützt werden, die gegen das islamistisch dominierte Militärregime des Sudan kämpfen. Zu diesem Zweck heuert das Konsortium derzeit mit Billigung der sudanesischen Regierung um die 3.000 Revolutionsgardisten aus dem Iran und 600 Malaysier an. Die wiederum sollen von 200 Männern einer südafrikanischen Firma angeleitet werden – und bei dieser Firma könnte es sich, mutmaßt die auf Söldnerfragen spezialisierte Zeitschrift Soldiers of Fortune, um die bekannte Söldnerfirma Executive Outcomes (EO) handeln. Die hat schon früher mit dem kanadischen Unternehmen Arakis zusammengearbeitet, das 20 Prozent der Anteile an dem genannten Ölkonsortium hält.
Von 1993 bis 1995 schützte Executive Outcomes, dessen Belegschaft hauptsächlich aus ehemaligen Elitesoldaten des berüchtigten 32. Bataillons der südafrikanischen Apartheid-Armee besteht, auch schon Ölfelder in Angola und nahm an Operationen gegen die angolanischen Unita-Rebellen teil. Auch Sierra Leone schützte EO zwischen 1995 und 1997 Diamantenkonzessionen und kämpfte gegen Rebellen.
Öl- und Bergbauinstallationen in unsicheren Gebieten zu schützen ist ein Wachstumsmarkt. Die US-Firma Wackenhut, weltweit führend in der privaten Gefängnisüberwachung, bewirbt sich derzeit um den Schutz der Ölpipeline, die in den nächsten Jahren von den neuentdeckten Ölfeldern des Tschad an den kamerunischen Atlantikhafen Kribi geführt werden soll. Die Pipeline wird durch Regionen führen, wo bewaffnete Gegner der tschadischen Regierung und auch hochgerüstete Banditengruppen aktiv sind.
Aus dem Schutz wirtschaftlicher Einrichtungen wird schnell die Beteiligung an bewaffneten Konflikten, wie es das Engagement von Executive Outcomes in Angola und Sierra Leone zeigt. Veteranen der britischen Luftlandeeinheit SAS, die für die Firma Defence Systems Ltd Ölinstallationen von British Petroleum in Kolumbien schützten, wurden zu Ausbildern von Anti-Guerilla- Einheiten der Polizei. 1997 hatte Sandline einen Subunternehmerauftrag von Executive Outcomes ergattert, auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Bougainville eine Kupfermine von Rio Tinto Zinc zu schützen – gegen eine Unabhängigkeitsbewegung.
Söldnermarkt: Angebot riesig wie die Nachfrage
Meist agieren Söldnerfirmen einfach für multinationale Unternehmen. Auf höherem Niveau aber nutzen sie manchmal auch eine instabile politische Situation für sich aus, indem sie lukrative Schutzverträge an Land ziehen oder gar Aktien der betroffenen Firmen erwerben, was zuweilen der wirkliche Grund für diese nicht ungefährliche Arbeit zu sein scheint. Sie zählen darauf, daß die Beteiligung einer Söldnerfirma an einem unsicheren Geschäft gegenüber Investoren als Beleg der Sicherheit ihrer Geldanlage angeführt wird.
So kommt es, daß eine Firma wie Diamond Works heute Diamantenkonzessionen in Angolas Provinz Ober-Kwanza besitzt – Diamond Works, geleitet vom britischen SAS-Veteranen Tony Buckingham, vermittelte den Söldnervertrag zwischen Executive Outcomes und der angolanischen Regierung. Ebenfalls in Angola besitzt die Minenräumungsfirma IDAS Resources zusammen mit der kanadischen Bergbaugesellschaft American Mineral Fields eine andere Diamantenkonzession auf einer Fläche größer als Belgien im Cuango-Flußtal. Der im Oktober 1997 gestürzte Präsident von Kongo-Brazzaville, Pascal Lissouba, hatte der israelischen Söldnerfirma Lev'Dan die Teilhabe an einem Ölprojekt mit israelischer Beteiligung verschafft. Der UN-Beauftragte für Söldner- und Menschenrechtfragen, Enrique Bernales Ballesteros, nennt solche Entwicklungen einen „multinationalen Neokolonialismus des 21. Jahrhunderts“.
Es sind nicht immer die sichtbarsten Firmen, die am tiefsten drinstecken. Die wichtigsten von ihnen kommen aus den USA – Wackenhut und Airscan schützen Ölfördereinrichtungen in der umkämpften angolanischen Exklave Cabinda; Military Professional Resources bildet die neue bosnische Armee aus; Vinnell die Nationalgarde in Saudi-Arabien. Dieser letzte Vertrag beläuft sich auf 163 Millionen Dollar über drei Jahre – ein beachtliche Summe in dieser Branche.
Es gibt viele Gründe für dieses neue Phänomen der Privatisierung klassischer Verteidigungsaufgaben. Die meisten Armeen auf der Welt haben Massenentlassungen vorgenommen, so daß es viele arbeitslose und gutausgebildete Soldaten gibt, vor allem in Osteuropa und dem südlichen Afrika. Zunehmend kaufen Regierungen neue Waffengenerationen, die weniger arbeitsintensiv sind und weniger, dafür aber technologisch versierteres Personal benötigen.
Die steigende Nachfrage erklärt sich ihrerseits aus dem wachsenden Bedürfnis multinationaler Unternehmen, auch in Krisengebieten aktiv zu sein – koste es, was es wolle – und dem Trend der Großmächte, zum Schutz eigener Interessen nicht mehr direkt militärisch aktiv zu werden, sondern private Partner zu suchen.
Eine Affäre wie Sandline paßt da genau ins Bild. Schon im vergangenen Jahr schrieb der britische Auslandsgeheimdienst MI 6 ein Papier namens „UK Eyes Alpha“, worin die Ineffektivität von UN-Operationen beklagt und der Trend zu Privatfirmen belegt wurde. Das britische Außenministerium erstellte damals für das Verteidigungsministerium eine Liste von Sicherheitsfirmen, die man mit „politisch sensiblen“ Aufgaben betrauen könne – wie zum Beispiel in Sierra Leone.
In den USA geht das alles noch offener. Seit Juni 1997 lädt das Pentagon regelmäßig die wichtigsten Söldnerfirmen zu Konferenzen mit Militärs, Geschäftsleuten und Leitern humanitärer Organisationen. Der Sinn dieser Treffen soll es sein, den Söldnerberuf zu zivilisieren und zum Beispiel ein UN-Register von Söldnerfirmen anzulegen, das Kriterien für den Söldnereinsatz wie Respekt für die Menschenrechte festlegen soll. Ein vergleichbares UN-Waffenhändlerregister ist ein glatter Mißerfolg, und auch ob dieses funktionieren kann, ist zu bezweifeln: Executive Outcomes etwa hat in der Vergangenheit Minen gelegt und Zivilisten getötet.
Interessant ist es aber schon, daß jetzt solche Überlegungen aufkommen, wohingegen von einer permanenten UN-Interventionstruppe kaum noch die Rede ist. Vielleicht kommen ja bald die Söldnerfirmen selbst auf diese Idee zurück.
Von François Misser und Philippe Chapleau erschien jetzt im Pariser Verlag Desclée de Brouwer das Buch: „Mercenaires S.A.“
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