Opposition Hongkong wieder präsent

■ Die Demokraten erringen 14 der 20 Direktmandate. Wegen des Wahlsystems unterliegen sie aber prochinesischen Gruppen

Hongkong (taz) – Bei den Parlamentswahlen in Hongkong haben oppositionelle demokratische Parteien 14 der 20 in allgemeinen Wahlen vergebenen Mandate errungen. Die Peking-nahe Demokratische Allianz kam bei der gestrigen Auszählung nur auf fünf Mandate. Ein Sitz ging an einen unabhängigen Kandidaten. Die Peking-nahe und Großunternehmern nahestehende Liberale Partei konnte kein Direktmandat gewinnen.

Ganz anders sehen die Ergebnisse bei den Wahlen berufsständischer Organisationen und Industrieverbände aus. Hier entschieden 120.000 Wahlberechtigte über 30 Sitze. Die demokratischen Kandidaten kamen nur auf 4 Sitze. Erwartungsgemäß gingen sämtliche 10 Mandate, die von einem Peking- nahen 800köpfigen Komitee vergeben wurden, an prochinesische Kandidaten.

Damit kommen im 60köpfigen Legislativrat die demokratischen Parteien mit einem Stimmenanteil von rund 60 Prozent bei den allgemeinen Wahlen nur auf 18 Mandate. Im vorigen Rat unter britischer Herrschaft hatten sie bei einem vergleichbaren Stimmenanteil noch 27 Abgeordnete gestellt. Das Wahlsystem war weitgehend aus der britischen Kolonialzeit übernommen, aber zuungusten demokratischer Parteien verändert worden.

Den demokratischen Parteien ging es darum, überhaupt wieder im Parlament vertreten zu sein. Denn im Übergangsparlament, das mit der Rückgabe Hongkongs an China am 1. Juli 1997 eingesetzt worden war, blieben sie auf Druck der chinesischen Regierung ausgeschlossen. Über den von China eingesetzten Regierungschef Tung Che-hwa und das von ihm ernannte Kabinett wurde bei den ersten Parlamentswahlen unter chinesischer Hoheit ohnehin nicht abgestimmt.

Überraschend war die trotz schwerer Unwetter unerwartet hohe Wahlbeteiligung von 53 Prozent. 1995 betrug sie nur 35 Prozent. Regierungschef Tung wertete die Rekordbeteiligung als „außerordentlichen Erfolg“. Forderungen nach einer schnelleren Demokratisierung erteilte er jedoch indirekt eine Absage.

Beobachter sehen in der hohen Wahlbeteiligung ein gewachsenes politisches Bewußtsein. „Die Bevölkerung hat den Unterschied zwischen dem Legislativrat und dem ernannten Übergangsparlament gesehen. Jetzt hat sie sich statt für den Schoßhund für den Wachhund entschieden“, kommentierte der Meinungsforscher Michael DeGolyer vom „Hong Kong Transition Project“. Durch die Wahlen bekommen 20 Parlamentarier eine breite Legitimation, die weder der Rest der Abgeordneten noch die Regierung besitzt. Es dürfte der Regierung künftig schwerer fallen, sich darüber hinwegzusetzen. Sven Hansen