„Ich habe nie für Verwahranstalten plädiert“

■ Justizsenator Ehrhart Körting erntet für Vorschläge zum Umgang mit jugendlichen Straftätern Kritik von Juristen und Sozialarbeitern. Körting: „Heiße Eisen anpacken“

Er hänge nicht an der Formulierung „geschlossene Heime“, äußerte Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) am Montag abend sichtlich gereizt. Er habe nie von Verwahranstalten gesprochen, betonte er gegenüber etwa 50 Juristen, Sozialarbeitern und Kommunalpolitikern, die einer Einladung der Neuen Richtervereinigung Berlin/Brandenburg nach Tiergarten, ins Jugendzentrum „Pumpe“, zur Veranstaltung „Jugendstrafrecht: Zu lasch, zu langsam, zu ineffektiv?“ gefolgt waren. Vielmehr, so Körting, sei immer die Rede von einer pädagogisch betreuten Unterbringung gewesen für jene wenigen Kinder und Jugendlichen, die – da besonders anfällig für Straftaten – in Wohngemeinschaften der Stadt nicht gut genug und in einer Haftanstalt erst recht schlecht aufgehoben sind. „Wie man die Sache nennt, ist unerheblich“, meinte Körting.

Der ehemalige Drogenbeauftragte Berlins und Mitarbeiter der Jugendverwaltung, Wolfgang Penkert, fand dies keineswegs. Er warf Körting „fahrlässigen Umgang“ mit dem Begriff der geschlossenen Heime vor. Der Justizsenator habe einen „gesellschaftlichen Reflex“ belebt, wonach Kinder und Jugendliche einerseits nur noch als Störfaktoren wahrgenommen werden, die Probleme andererseits als lösbar suggeriert werden, wenn man nur den einen oder anderen, scheinbar Unbelehrbaren wegschließen würde.

Ohnehin gebe es kaum einen Anstieg der Kinder- und Jugendkriminalität, erklärte Penkert, „lediglich Verschiebungen innerhalb der Kriminalitätsszenarien“. Bei Roheitsdelikten in der Statistik würden allerdings selbst Achtjährige erfaßt. Deshalb sei es ein Unding, daß derzeit 28 „Intensivtäter im Kindesalter“ die Diskussion in der Stadt bestimmten.

Kritik kam auch von der bündnisgrünen Politikerin Renate Künast an weiteren Vorschlägen Ehrhart Körtings beim Umgang mit straffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen. Der Justizsenator hatte dafür plädiert, zum Beispiel Polizeibeamte vor Ort mit mehr Kompetenzen auszustatten, um kleine Ladendiebe zu rügen oder in die Pflicht zu nehmen. Künast warf dem Justizsenator vor, durch Vorschläge wie den, Jugendliche könnten zur Widergutmachung ihres Unrechts den Müll im Park aufsammeln oder vor Seniorenheimen fegen, den Eindruck zu verstärken, „wenn wir Jugendlichen schon keine Perspektive und Kontinuität bieten, sollen sie wenigstens unseren Dreck wegräumen“. Auch Körtings Vorwurf, es werde zuviel über fehlendes Geld gejammert, zuviel Verantwortung an Politik und Staat delegiert und sich zuwenig, besonders von Seiten der Eltern, um die Kinder und Jugendlichen gekümmert, blieb nicht unkommentiert. Viele dieser Probleme, so Jugendrichterin Ruth Sieveking, seien eine Frage der Verteilung und der Prioritätensetzung in der Politik.

Körting kündigte in diesem Zusammenhang an, daß er sich nicht scheue, ein weiteres Reizthema in die Diskussion zu bringen: den Strafvollzug von Ausländern. Die meisten, die hier in Haft säßen, sagte der Justizsenator, hätten mit Berlin nichts gemein „außer der Tatsache, daß sie hier geklaut haben“. Eine Möglichkeit zur Sozialisation dieser Menschen bestehe seiner Ansicht nach überhaupt nicht. Ein Nachdenken über Abkommen zum Strafvollzug im Ausland sei daher nötig. „Voraussetzung ist natürlich, daß die Täter ihre Haft unter menschenwürdigen Bedingungen absitzen, daß sie nicht freigekauft werden und daß es ordentliche Abkommen mit den betreffenden Ländern gibt.“ Clara Feld