: Noch mehr Daten für Gen-Datei
Bundesregierung plant Ausweitung der Gen-Proben auf bereits verurteilte Straftäter. Gesetzentwurf heute im Bundestag. Warnung vor „Waffensammlung“ ■ Von Barbara Junge
Berlin (taz) – Die Bundesregierung plant eine Ausweitung der umstrittenen Gen-Datei. Auch jenseits laufender Ermittlungsverfahren sollen künftig Gen-Proben entnommen und gespeichert werden. So gerät ein größerer Personenkreis ins Visier der Datensammler. Diese Ausweitung der DNA-Analyse regelt ein gemeinsamer Gesetzentwurf von CDU und FDP, den die Regierungsfraktionen heute im Bundestag einbringen wollen. Der Entwurf, der gestern bereits im Rechtsausschuß beraten wurde, sieht eine Änderung der Strafprozeßordnung vor.
Dem Paragraphen 81, der die Möglichkeiten erkennungsdienstlicher Maßnahmen regelt, soll ein Paragraph 81g angefügt werden. Danach könnten künftig auch bereits verurteilte Straftäter zu Gen- Proben für die Datei verpflichtet werden. Außerdem plant die Koalition, Gen-Proben auch dann zu erlauben, wenn sie für ein konkretes Ermittlungsverfahren nicht notwendig sind: in Fällen, „in denen zur Überführung des Täters keine DNA-Analyse durchgeführt wird“. Auch der Kreis derjenigen, die zu der zusätzlichen Untersuchung gezwungen werden sollen, ist sehr weit gefaßt. Es reicht eine Wiederholungsgefahr aufgrund „sonstiger Erkenntnisse“.
Eine Übergangsregelung schafft zudem die Möglichkeit, auch bereits Verurteilte zur Speichel- oder Blutprobe zu bestellen: „Maßnahmen nach §81g der Strafprozeßordnung dürfen auch durchgeführt werden, wenn der Betroffene vor Inkrafttreten dieses Gesetzes oder innerhalb eines Jahres danach rechtskräftig verurteilt wurde“, so der Gesetzentwurf.
Hektisch betreibt Innenminister Manfred Kanther (CDU) seit Anfang dieses Jahres das Projekt Gen-Datei. Im Sommer 1997 noch hatte das Bundesjustizministerium (BMJ) angekündigt, man arbeite an einer gesetzlichen Grundlage einer Gen-Datei für Sexualstraftaten – ein Arbeitsentwurf für ein Gesetz folgte. Doch im April dieses Jahres schlug Kanther die Ratschläge des BMJ in den Wind und erklärte, mit dem Paragraph 8 des Bundeskriminalamtsgesetzes (Generalklausel für Dateien) sei eine gesetzliche Grundlage schon vorhanden. Trotz erheblicher Bedenken von Bundesjustizminister Schmidt-Jortzig (FDP), dem Bundesdatenschutzbeauftragten und Rechtsmedizinern erließ Kanther am 16. April die Errichtungsanordnung für eine „DNA-Analyse-Datei“. Der heutige Gesetzentwurf – erst am Montag verfaßt – ergänzt nun die durch die Anordnung bereits geschaffenen Möglichkeiten.
Volker Beck, rechtspolitischer Sprecher der Grünen, äußerte gestern „verfassungsrechtliche Zweifel, ob diese Ausweitung zulässig ist“. Er will die Gen-Datei auf Sexual- und Gewaltverbrechen beschränkt sehen. „Die wesentliche Aufgabe, die Gen-Datei auf eine rechtliche Grundlage zu stellen, ist mit dem Gesetzentwurf verfehlt“, so Beck zur taz. Ohnehin fordern Experten längst eine gesetzliche Grundlage. Der Rechtsmediziner an der Uni Mainz, Peter M. Schneider, der selbst die DNA-Analysen durchführt, sagte: „Eine gesetzliche Grundlage ist unabdingbar.“ Nur damit sei zu gewährleisten, daß die Datensammlung nicht mißbraucht werde. Schärfer formuliert das der Berliner Datenschutzbeauftragte Garstka: „Hier wird eine Waffensammlung angelegt, dafür ist selbstverständlich eine gesetzliche Grundlage notwendig.“
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