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Rassistische Diskurse

■ Ein feministischer Vortrag zu Alice Schwarzer, Franz Schönhuber und Aysel Özakin

Der Diskurs von Alice Schwarzer, sagt die amerikanische Germanistin Leslie Adelson, ist in ihren Äußerungen rassistischer als der vom Rep Franz Schönhuber – zumindest sei das Anfang der Neunziger in ihrem Leitartikel zu den Morden in Solingen und Mölln so gewesen.

Starken Tobak fanden das manche unter den dreißig ZuhörerInnen, die sich zum zweiten Vortrag der Vorlesungsreihe „Feministische Theorie und Literaturwissenschaft im Dialog“ eingefunden hatten. Man könne, so sprach empört, wenn auch mit Fassung, eine Dame aus dem Publikum, der Alice Schwarzer „doch nicht unterstellen, daß sie rassistische Elemente in sich trägt“ – und wollte wissen, was die Vortragende unter „Rassismus“ eigentlich verstehe. Das wußte diese auch nicht so genau und versprach, darüber nachzudenken. Doch auch ohne Definitionsmächtigkeit zeigte ihr Diskursvergleich des Schwarzer-Textes mit dem 1989 erschienenen Buch über „die Türken“ des damaligen Republikaner-Chefs Franz Schönhuber eine gewisse Logik. Während die „Emma“-Herausgeberin türkische Frauen allein als Objekte von Frauenfeindlichkeit bezeichne und männlich/türkisch/islamisch kurzschlüssig gleichsetze, so die Professorin aus dem Staat New York, gebe es bei Schönhuber diese einheitliche Behandlung von Frauen nicht: Türkinnen würden hier sehr wohl auch auch als moderne, selbstbewußte Frauen vorkommen. „Diese gewisse feministische Rhetorik hätte ich nicht von ihm erwartet“, zeigte sich die Germanistin überrascht, die erforscht, auf welche Weise in Deutschland die Reden über „Frauen“ und „Türken“ ineinanderlappen.

Daß dies nicht unbedingt etwas mit Humanismus, Liberalismus, Feminismus bei Schönhuber zu tun hat, sondern einfach mit einer anderen diskursiven Strategie, erwähnte Leslie Adelson nur am Rande. Anzunehmen, daß die Diskursanalytikerin dies für selbstverständlich hielt. Schönhubers „Türken gehören in die Türkei“, so habe sie feststellen müssen, sei nationalistisch – rassistisch sei er damit noch nicht.

Doch recht eigentlich sollte der rüde Schwarzer-Schönhuber-Vergleich nur als Folie für das Hauptsujet des Vortrags dienen: der gegenstrebigen Lektüre von Aysel Özakins Roman „Die Preisvergabe“. Daß davon in der Diskussion mit einem Publikum, das zwar viel mit der deutschen Talkshow-Prominenz verbindet, die türkische Autorin jedoch kaum kannte, nicht mehr die Rede war, erstaunte die vitale Professorin merkwürdigerweise.

Der autobiographische Roman von 1980 aber lohnt es wohl wirklich, wenn man ihn heute wieder liest. Die Geschichte einer Frau, Nuray Ilkin, die als Sekretärin und Autorin eines preisgekrönten Romans zerrissen ist zwischen den Vorbildern ihrer Mutter – Gymnasiallehrerin und Ata-Türk-Verehrerin – und ihrer Tochter, einer linken Intellektuellen. Kein Roman über die Unterdrückung der Frau in der Türkei, wenn auch jahrzehntelang von der deutschen Germanistik so wahrgenommen, sagt seine Analytikerin Leslie Adelson. Ihr Plädoyer: „Die Preisvergabe“ als ein Netz von Möglichkeiten dazu aufzufassen, „wie politisches Denken und Handeln konzipiert werden können“: Mit je neuen und je anderen „Folgen für das Verständnis von Frauen, Feminismus, Nation und Staat“. ritz

Die Vorlesungsreihe mit dem Titel „'Ich ohne Gewähr' – Relektüren weiblicher Subjektivität“ wird am Dienstag, den 9. Juni, um 20 Uhr mit einem Vortrag zum „Komplex Elektra“ im Gästehaus der Uni fortgeführt

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