piwik no script img

Schacht-Konrad-Genehmigung aufgeschoben

Niedersachsen stoppt das Verfahren für das Atommüll-Lager nach dem Strahlenskandal. Erst einmal müsse die Sicherheit der Transporte garantiert werden, verlangt der Landesumweltminister Jüttner  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Die traurige Lage von Bundesumweltministerin Merkel macht jetzt Niedersachsen mutig: Landesumweltminister Wolfgang Jüttner legte gestern das Genehmigungsverfahren für das Atommüll-Endlager Schacht Konrad erst einmal auf Eis. Und das niedersächsische Innenministerium hat den für die Zeit nach der Bundestagswahl angekündigten nächsten Gorleben-Transport auf das kommende Frühjahr vertagt.

Das Planfeststellungsverfahren für das Endlager Konrad, das eigentlich kurz vor dem Abschluß stand, solle so lange unterbrochen bleiben, bis die Risiken von Atommülltransporten restlos aufgeklärt und beseitigt seien, sagte der niedersächsische Umweltminister Wolfgang Jüttner gestern in Hannover. Den vorläufigen Stopp des Konrad-Genehmigungsverfahrens hatte Jüttner gestern morgen der Bundesumweltministerin per Fax mitgeteilt. In seinem Brief erinnerte Jüttner daran, daß das Bundesumweltministerium es Niedersachsen im Jahre 1992 per Weisung untersagt hatte, im Rahmen des Konrad-Verfahrens auch die Risiken der Atommülltransporte zum Endlager zu untersuchen.

Jetzt allerdings habe Angela Merkel selbst eingeräumt, daß die für den Transport von radioaktiven Abfällen geltenden Vorschriften Risiken durch die Transporte nicht vermeiden könnten, schrieb Jüttner mit Blick auf den aktuellen Atommüllskandal. Von der Ministerin verlangte Jüttner Verständnis für den Stopp des Konrad-Verfahrens: „Vor diesem Hintergrund bin ich mir Ihrer Zustimmung gewiß, wenn ich die Arbeiten am Entwurf eines Planfeststellungsbeschlusses nunmehr unterbreche.“

Im niedersächsischen Umweltministerium soll nun auf jeden Fall „mehrere Monate“ nicht an der Schacht-Konrad-Genehmigung weitergearbeitet werden. Ohne eine bundesaufsichtliche Weisung aus Bonn ist damit vor der Bundestagswahl eine Genehmigung von Europas größter Atommüllkippe unwahrscheinlich. Die niedersächsischen Umweltverbände, die Arbeitsgemeinschaft Konrad und die Grünen in Hannover wie Bonn begrüßten gestern Jüttners Konrad-Stopp. Angela Merkel bezeichnete die Unterbrechung des Genehmigungsverfahrens als „in der Sache völlig inakzeptabel“ und als „politische Provokation“. Die Bundesumweltministerin drohte allerdings zunächst noch keine bundesaufsichtlichen Schritte gegen Niedersachsen an.

Der niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski hat für den nächsten Gorleben-Transport die vollständige Aufklärung der Kontaminationen an Atommüllbehältern zur Vorbedingung gemacht. Der bisher für die Zeit nach der Bundestagswahl angekündigte nächste Castor-Transport ins Gorlebener Zwischenlager werde „nicht im Herbst und auch nicht im Winter stattfinden“, sagte Glogowskis Sprecher. Der bisher für den Herbst geplante Transport von sechs Behältern mit Müll aus der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) La Hague nach Gorleben fällt ausdrücklich nicht unter Merkels Transportstopp. Die entsprechenden Castor-Behälter wurden in der französischen WAA nicht unter Wasser, sondern auf dem Trockenen beladen.

Das Innenministerium in Hannover glaubt allerdings zur Zeit keinen Polizeieinsatz für einen Gorleben-Transport organisieren zu können. „Polizeibeamte müssen zwar einer Weisung gehorchen. Wenn aber 1.000 Beamte unter dem Einfluß einer Gewerkschaft nein sagen, ist auch der Leiter unserer Polizeiabteilung machtlos“, sagte ein Ministeriumssprecher. Der Chef der Polizeigewerkschaft, Hermann Lutz, hatte erklärt, daß er Castor-Transporte auf lange Sicht nicht mehr für durchsetzbar halte. Jürgen Voges

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen