■ Die Flucht von West nach Ost: „Die Brötchen von der NVA waren sicher gut“
Dietmar Herrmann, 42 Jahre, Polizeibeamter
Aus polizeilicher Sicht fand ich die Flucht über die Mauer ein absolutes Risiko. Damals zu Ostzeiten: Spionage, Festhalten, Anwerben für die Stasi. Wenn denen was passiert wäre, hätten wir aus dem Westen ja nichts machen können. Da waren sie mal für einen Tag in der Zeitung, und ansonsten haben sie nichts erreicht, außer sich in Gefahr zu bringen. Da stimmte das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht.
Kathrin Meß, 33 Jahre, Studentin
Ich komme aus Ostberlin und habe erst nach der Maueröffnung von der Geschichte gehört, daß sich die Autonomen da verschanzt haben und die Bullen nicht rankamen. Die Massenflucht über die Mauer fand ich 'ne lustige Aktion. Ich wäre am liebsten dabeigewesen. Aber ich glaube, daß das Frühstück der NVA für die Autonomen schlecht war. Außer den Brötchen. Die waren sicher gut.
Dennis Stute, 26 Jahre, Student
Ich bin da zusammen mit einem Freund hin. Da sah es aus wie im Krieg: Barrikaden, Laster, Vermummte. Wir waren auf einem Plenum. Da haben die Besetzer diskutiert, ob sie die Bullen gleich mit Steinen angreifen oder erst am nächsten Tag. Schließlich haben sie sie eine Woche später mit Eiern beworfen. Und als es ernst wurde, sind sie über die Mauer abgehauen. Ich fand es ziemlich absurd.
Christa Hirthammer, 52 Jahre, Arzthelferin
Ich erinnere mich an die Wohnwagen und die Wildnis auf dem Lenné-Dreieck. Ich fand es gut, daß die das besetzt haben, obwohl ich mich nicht mehr so genau daran erinnern kann. Die Flucht über die Mauer fand ich witzig, weil die im Osten immer behauptet haben, daß bei ihnen alles in Ordnung sei. Und da ist dann mal was passiert, womit die sicherlich schlecht umgehen konnten.
Bernd Wigstein, 50 Jahre, Taxiunternehmer
Ich fand es bescheuert, daß die vom Westen in den Osten geflüchtet sind. Das waren doch so Rollheimer, die da gewohnt haben, oder? Ich komme aus dem Ostteil und wäre gerne in entgegengesetzte Richtung rübergeklettert. Die aus dem Westen konnten doch für 25 Mark so rein. Daß die NVA ihnen Frühstück gemacht hat, fand ich in Ordnung. Aber ich hätte das nicht gemacht.
Alex Korb, 22 Jahre, Student
Ich fand es ein schönes Bild, wie die Autonomen nach der Mauerkletterei dann auf dem Laster saßen mit den ganzen biederen NVA-Soldaten. Und daß die von denen aus dem Osten auch noch Frühstück bekommen haben, war doch eine witzige Aktion. Ich war zwar nicht dabei, weil ich zu der Zeit noch nicht in Berlin gewohnt habe, aber ich fand es in Ordnung, daß die da rübergeklettert sind.
Umfrage: Christian Haase
Fotos: Wolfgang Borrs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen