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Zweites Leben als „Mama Afrika“

Gesichter der Großstadt: Seit 20 Jahren streitet Gabi Lehmann-Yamoah bei amnesty international für die Menschenrechte. Angefangen hat alles mit einem Brief ans Fernsehen  ■ Von Kirsten Niemann

Die Katze Pixie mag dunkelhäutige Menschen. Forsch pirscht sie sich an die heran, schmiegt sich an deren Beine und schnurrt zufrieden. Kommt hingegen ein „normaler“, hellhäutiger Gast, dann zieht sie sich in der Regel desinteressiert zurück. „Die Schwarzen riechen wohl besser“, erklärt Gabi Lehmann-Yamoah. Pixie hatte oft genug die Gelegenheit, das festzustellen, schließlich kamen zeitweilig mehr farbige als weiße Besucher zum Frauchen in die Wohnung.

Angefangen hatte alles vor etwa zwanzig Jahren. Die damals fünfzigjährige Gabi Lehmann hatte ihr wohl angenehmes, aber doch auch fades Leben satt. „Irgend etwas mußte passieren“, fand die Frau mit den humorvollen blauen Augen, die sich damals ihren Lebensunterhalt als Sachbearbeiterin bei Siemens verdiente. Der Mann aus erster Ehe war mittlerweile verstorben, die drei erwachsenen Kinder waren bereits aus dem Haus. Und allein „darauf zu warten, daß die Enkelkinder mal vorbeikommen“, war Gabi Lehmanns Sache nicht.

Eine Fernsehreportage über die Frauen in den südafrikanischen Homelands im „Auslandsjournal“ brachte schließlich den Kick. „Ich bewunderte diese afrikanischen Powerfrauen“, erzählt Gabi Lehmann, die sich immer schon für Land und Leute auf dem Schwarzen Kontinent und deren Probleme interessiert hatte. „Ich wollte denen helfen. Also schrieb ich dem Reporter, dem Uwe Kröger, einen Brief.“ Die Antwort kam prompt. Kröger verwies sie an amnesty international.

Schon kurze Zeit nachdem Gabi Lehmann eine Info-Veranstaltung der Menschenrechtsorganisation besucht hatte, fand sie sich als ehrenamtliche amnesty-Mitarbeiterin in einer Asylgruppe wieder. Ihre Aufgabe: die Beratung von politischen Flüchtlingen. Gabi Lehmann sollte so dazu beitragen, jene, die hierherkommen, vor Illegalität zu bewahren und sie zugleich bei ihren oft langwierigen Asylverfahren zu betreuen.

„Damals, im Jahr 1979, nach dem Rawlings-Putsch, gab es sehr viele Ghanaer in Berlin“, erinnert sich die amnesty-Organisatorin. Hier lief ihr schließlich der Herr Yamoah über den Weg, ein junger Mann aus Ghana, den sie bald darauf ehelichte. Eine Liebesheirat? Oder aber eine Ehe, um ihn vor der Abschiebung zu bewahren? „Sicherlich beides!“ erklärt Gabi Lehmann-Yamoah bündig.

Und es brodelte in Afrika. Bald kamen auch Leute aus Uganda, Äthiopier und Somalis in ihre Asylsprechstunde.

„Mama Afrika“, wie sowohl ihre Schützlinge als auch die meist wesentlich jüngeren amnesty-Mitstreiter Gabi Lehmann-Yamoah bald respektvoll nannten, wurde zur Anlaufstelle vieler Flüchtlinge. Das blieb natürlich weder den Nachbarn in der Trabantenstadt Märkisches Viertel verborgen noch den Kollegen bei Siemens.

„Selbst Otto Normalverbraucher verstand, daß das sinnvoll ist, was ich tue“, erklärt sie. Ärger wegen ihrer ungewöhnlichen Freizeitbeschäftigung gab es eigentlich nie. Und bekam sie doch mal einen Rüffel in der Firma, wegen zu vieler Asyl-Anrufe, bot eine Kollegin direkt ihre Hilfe an. „Kannst mein Telefon benutzen“, hieß es dann. Und „zweite Tür links!“ riefen selbst die Nachbarn schon den vielen dunkelhäutigen Menschen entgegen, die auf der Suche nach Frau Lehmanns Wohnung im Treppenhaus umherirrten.

Manchmal mußte Gabi Lehmann-Yamoah zu ungewöhnlichen Mitteln greifen, um ihren schwarzen Freunden zu helfen. Etwa, als sie eine palästinensische Braut noch zu Mauerzeiten mit gefälschten Papieren über den Transit durch die DDR nach Westdeutschland schleuste. Oder bei der Sache mit den neun Ghanaern, die sie eine Woche lang in ihrer kleinen Dreizimmerwohnung versteckt hielt. „Der Weg der Asylanten muß jedoch immer wieder zurück in die Legalität führen“, warnt die amnesty-Aktivistin, die von ungewissen Nacht-und-Nebel- Aktionen ansonsten aber nicht viel hält.

Heute zählt amnesty international allein in Berlin-Brandenburg 35 Gruppen mit rund 400 ehrenamtlichen Mitarbeitern. Und noch mehr Hilfe wird gebraucht, insbesondere nach der jüngsten Aushöhlung des Asylrechts. „Es geht schließlich um die Rechte aller Menschen“, erklärt die heute 69jährige. Egal, welche politische Vergangenheit ein Asylbewerber haben mag.

Aber selbst für Gabi Lehmann- Yamoah ist die Umsetzung dieser Maxime „manchmal nicht ganz unproblematisch“. Etwa, wenn einer ihrer Schutzbefohlenen der ehemalige Wirtschaftsminister von Idi Amin ist. „Der hatte im Grunde mehr Angst vor seinen Opfern als vor seiner Regierung.“ Nur ein Grundsatz sollte zählen: „Was erwartet ihn in seinem Land, wenn er zurückmuß und man ihm jetzt nicht hilft?“

Entgegen allen Behauptungen aus der rechten Ecke weiß Lehmann-Yamoah, daß die meisten Afrikaner lieber heute als morgen zurück in ihre Heimat wollen. „Viele werden direkt exilkrank.“ Es sei ohnehin schwer, in einem anderen Land neue Wurzeln zu bilden, auch ihren Mann zog es später wieder in die Heimat. „So richtig begriffen habe ich das erst, als ich ihn vor fünf Jahren in Ghana besucht habe.“ Noch heute freut sie sich über die Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit seiner Familie, die sie damals erfahren hat.

Ob sie jemals mit dem Gedanken gespielt habe, nach Afrika zu ziehen? „Meine Wurzeln sind in Berlin“, erklärt Gabi Lehmann- Yamoah. „Und was ich hier tun kann, das mache ich nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für meine eigene Gesellschaft.“

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