: Wasser im Kahn
■ Erst ärgerte das ZDF die ARD. Die schlug zurück. Ab heute will man wieder schmusen
Bei der ARD sind sie wieder völlig aus dem Häuschen. Nicht genug, daß sich das Erste mit 15,3 Prozent der Zuschauer im Mai schon wieder knapp an Marktführer RTL (15,9 Prozent) herangerobbt hat. Gleich danach kamen auch noch die ARD-Dritten. „Im Mai auf Rang drei“, reimten sie da in der Leipziger ARD- Pressestelle, und noch bevor der Monat ganz zu Ende war, schickten sie es an alle Redaktionen.
Die Kollegen beim ZDF dürften den Jubel nicht so komisch finden: Das ZDF liegt abgeschlagen auf Platz vier (12,1 Prozent) – und auch das nur, weil Sat.1 (11,8 Prozent) noch desolater herumschwächelt. Die Schuld für die schlechte Lage gibt man in Mainz der ARD – unter anderem eben ihren Dritten.
Eigentlich wollten sich ARD und ZDF nun zurückhalten. Denn bevor sich heute mehrere ARD- Intendanten mit ZDF-Chef Dieter Stolte am Frankfurter Flughafen treffen, sollte „kein neues Öl ins Feuer“ gegossen werden, hieß es bei der ARD. ZDF-Sprecher Walter Kehr spielte das Treffen gar zur „Routineveranstaltung“ herunter, wie es sie „schon seit Jahrtausenden“ gebe.
Das glaubt er wohl selbst nicht. Zwar tollen die Intendanten tatsächlich schon Urzeiten miteinander herum. Doch seit dem Frühjahr geht es so heftig zu, daß ARD- Chef Udo Reiter über das öffentlich-rechtliche Verhältnis meint: „Ich kann mich nicht erinnern, daß es jemals schlechter war.“
Die erste Attacke im „Krieg“ (Reiter) kam von ZDF-Intendant Dieter Stolte. Als die unabhängige Gebührenkommission KEF ausrechnete, die ARD werde bis Ende 2000 rund 810 Millionen Mark zuviel haben, Stoltes ZDF aber über 160 Millionen zuwenig. Er befürchte „empfindliche Verwerfungen im Wettbewerb“. Da müßten KEF und Länderpolitiker verhindern, daß die ARD das ZDF verdränge, mäkelte Stolte. Die ARD- Leute trauten ihren Ohren nicht: Der öffentlich-rechtliche Bruder macht sie bei der Politik schlecht! „Das hat es noch nicht gegeben“, empörte sich Reiter.
Seither machte mal Stolte, mal einer der vielen ARD-Bosse in Interviews oder bei Hintergrund- Kaffeekränzchen mit Journalisten Stimmung. In der ARD werden gar akribische Listen mit Stoltes Äußerungen geführt. Für den Zank eignet sich neben dem Geld das Amt des Arte-Präsidenten, das NDR-Chef Jobst Plog begehrt – aber nur nebenamtlich. Ein wunderbarer Angriffspunkt für Stolte.
Hinter den Streitereien dürfte in der Tat die schwierige Lage des ZDF stecken, über die die ARD landauf, landab in ihren Retourkutschen feixt. Die Mainzer ärgern vor allem die Dritten, aus denen die ARD-Sender sich quotensüchtige Vollprogramme gebaut haben. Die ARD kann Sendungen in den Dritten testen und bei Erfolg ins Erste heben, Filmrechte kann sie im Ersten und später in den Dritten verwerten. Gegen die ARD-Flotte hat Stolte nur einen Tanker zu bieten. „Herr Stolte wird offenbar nervös“, stichelte NDR-Plog, „weil er den Eindruck hat, daß er seinen Laden nicht mehr konkurrenzfähig zur ARD und den Dritten plazieren kann.“
Mit überschüssigem Geld, fürchtet das ZDF, könnte die ARD quotenträchtige Sportrechte kaufen. Und bevor der von Stolte gehätschelte ZDF-Fernsehrat über schlechte Quoten meckert, meckert der Intendant lieber über die böse ARD. Wenn Stolte bald in Pension gehe, wolle er das ZDF „nicht an 27. Stelle hinterlassen“, erklärt ein Fernsehratsmitglied.
Das ZDF funktionierte in den vergangenen Jahren vor allem nachmittags und am Vorabend nicht. Verzweifelt verfrachtete man jüngst das Kinderprogramm ins Wochenende und in den Kinderkanal, statt dessen sollen Spiel- und Talkshows Quote machen. Einzig wenn „Wetten, daß...?“ läuft, können sich die Mainzer so richtig an den Quoten ergötzen. Abends sollen die Erfolge weitergehen, weshalb man für eine Lottoshow Michael Schanze der ARD abwarb. Auch der Unterhaltungschef des MDR war schon zum Vorstellungsgespräch nach Mainz gereist. Doch der MDR gab dem Mann kurzerhand mehr Geld und eine tolle Arbeitsgruppe – die nun ausgerechnet darüber grübeln soll, wie die ARD „Wetten, daß...?“ am geschicktesten schachmatt setzt.
Zwischendurch beschwören beide Seiten einander, es gebe doch einen „gemeinsamen Programmauftrag“. Alle säßen in einem Boot, sagte etwa Dieter Stolte. Kentere es, fielen alle ins Wasser. Zur Zeit sieht es eher so aus, als ob sie gerne baden gingen. Und sich am liebsten noch gegenseitig die Schwimmflügel zerstechen würden. Georg Löwisch
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