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Nato entsendet Einheit in den Balkan

■ Truppe in Albanien und Mazedonien soll möglichen Militäreinsatz vorbereiten. Tausende Kosovo-Albaner vor Kämpfen auf der Flucht

Tirana/Brüssel/Belgrad (dpa/ AFP/rtr) – Die Nato will eine Aufklärungseinheit nach Albanien und Mazedonien entsenden, um einen möglichen Einsatz von Truppen in der Balkan-Region vorzubereiten. Das verlautete gestern aus Nato-Kreisen in Brüssel. Die Entsendung der Militärexperten, die „in den nächsten Stunden“ vom militärischen Nato-Hauptquartier im belgischen Mons erfolgen solle, sei aber noch keine Entscheidung für eine Stationierung von Soldaten des Bündnisses, erklärte ein Vertreter der Allianz. Der Nato-Rat hatte sich zuvor in Brüssel mit der Lage in der serbischen Provinz Kosovo beschäftigt. Dabei sprach ein Nato-Vertreter von einer „Politik der verbrannten Erde“, die die serbischen Truppen im Grenzgebiet betrieben.

Die Aufklärungsmission erfolgt offenbar im Zusammenhang mit den Planungen der Nato-Militärs zur möglichen Stationierung von Bündnissoldaten an der Grenze Albaniens zum Kosovo. Die Nato- Außenminister hatten am vergangenen Donnerstag in Luxemburg beschlossen, einen solchen Einsatz prüfen zu lassen. Der Nato-Oberbefehlshaber in Europa, US-General Wesley Clark, war zu der Einschätzung gekommen, daß zwischen 7.000 und 20.000 Soldaten notwendig sein könnten, um die Grenze Albaniens zu Serbien zu sichern.

Angesichts der Zuspitzung der Kosovo-Krise hat Bundesaußenminister Klaus Kinkel gestern den Politischen Direktor des Auswärtigen Amts, Wolfgang Ischinger, in die Region entsandt. Wie das Auswärtige Amt mitteilte, reist Ischinger zuerst zu Gesprächen in die Hauptstädte Albaniens und Mazedoniens, Tirana und Skopje, danach weiter in die Gebietshauptstadt des Kosovo, Priština.

Ischinger solle mit Regierungsvertretern darüber verhandeln, wie ein Übergreifen der Unruhen im Kosovo auf die Nachbarländer vermieden und eine Lösung für das Flüchtlingsproblem gefunden werden könne. Kinkel selbst wollte am Nachmittag nach Palermo zur EU-Mittelmeerkonferenz reisen, wo er mit seinen europäischen Kollegen ebenfalls über die Kosovo-Krise beraten wollte.

Unterdessen stieg die Zahl von Kosovo-Albanern, die vor den schweren Kämpfen aus der südjugoslawischen Unruheprovinz in die Republik Albanien fliehen, weiter dramatisch an. Wie ein Sprecher des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) gestern in Belgrad mitteilte, suchten etwa 3.700 Menschen Zuflucht in Albanien, etwa 6.000 weitere begaben sich nach Montenegro. Insgesamt rund 42.000 Kosovo- Albaner hätten ihre Dörfer verlassen, hielten sich bislang aber immer noch in der Provinz auf.

Der Bürgermeister der albanischen Stadt Tropoja bestätigte, daß sich bisher rund 3.500 Kosovo-Bewohner nach Albanien flüchteten. Allein in der Nacht zum Mittwoch seien rund tausend Flüchtlinge aus dem Kosovo in Albanien angekommen, sagte Bürgermeister Isa Memia. Nur rund die Hälfte der Geflohenen habe vorläufig bei Familien des Ortes untergebracht werden können. Die anderen hätten die Nacht im Freien verbringen müssen.

Die Belgrader Zeitung Dnevni Telegraf berichtete gestern von der Entlassung Dutzender Belgrader Polizisten. Die insgesamt 100 Beamten hätten den Einsatz gegen die Aufständischen in der serbischen Provinz Kosovo verweigert und daraufhin am Dienstag den Dienst quittieren müssen.

Es habe sich zumeist um junge und unerfahrene Polizisten gehandelt. Sie hatten der Zeitung zufolge in der vergangenen Woche die Straße zwischen der Provinzhauptstadt Priština und Pec freikämpfen sollen. Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Polizei des jugoslawischen Bundeslandes Serbien und der Befreiungsarmee des Kosovo (KLA) konzentrieren sich seit zehn Tagen auf diese Straße, die quer durch den Kosovo führt.

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