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Der Dienstplan kommt vom ZDF

■ Firmen peitschen ihre Mitarbeiter über eigene TV-Kanäle ein. Da will nun das ZDF dabeisein - zum Ärger von TV-Firmen und Sendern

Norbert Szyperskis Prohpezeiung war allumfassend: Medienneutrale Räume werde es in Zukunft nicht mehr geben, schrieb der Wissenschaftler jüngst. Fernsehen werde den öffentlichen Raum erobern: „Zuerst den Arbeitsplatz, dann den Schalterraum, das Kaufhaus, Kanzleien, Verbände und Organisationen“.

Zumindest in Großunternehmen hat der Feldzug der Flimmerkisten bereits begonnen. Aus den USA wird berichtet, daß sich schon rund 200 Firmen ein eigenes sogenanntes Business-TV leisten. Ford strahlt für seine Autotechniker und Verkäufer täglich auf mehreren Kanälen 40 Stunden Programm aus und gibt bereits eine eigene Programmzeitschrift heraus. In Deutschland startete die Deutsche Bank vor einem Jahr das erste Business-TV. Bevor morgens die Schalter öffnen, bekommen die Banker einen neuen Fonds erklärt oder dürfen ihren Vorstandschef bewundern, wie der irgendwo in der Welt eine neue Filiale eröffnet. Ein zweiter Kanal soll der Mitarbeiterschulung dienen.

Sender wie Pro7 oder n-tv, aber auch private Produktionsfirmen hatten sich schon auf wunderbare Verdienstmöglichkeiten gefreut. „Airport Channel an jedem Gate, CommerzbankTV als Anlagenfernsehen für jedermann, Ärzte-TV für Praxis und Wartezimmer“, rattert n-tv-Chef Karl-Ulrich Kuhlo runter. Und Hans-Joachim Turowsky von der Hamburger Produktionsfirma BTI schwärmt von Kunden wie Siemens und Telekom.

Jäh erstarren ließ die Business- TV-Unternehmer die Nachricht, daß nun auch das öffentlich-rechtliche ZDF in den lukrativen Markt einsteigen will. Die Tochterfirma ZDF Enterprises wolle nur mal „ausloten“, was so möglich sei in der „audiovisuellen Unternehmenskommunikation“, wehrt ZDF-Sprecher Phillip Baum ab. Doch in der Branche wabert schon ein Gerücht, der Mainzer Sender spreche bereits mit der DG Bank als Kunden. Die private Konkurrenz fürchtet sich vor dem Know- how des ZDF und dem öffentlich- rechtlichen Namen. Wenn ZDF draufsteht, glauben selbst die kritischsten Mitarbeiter die dümmste Firmenpropaganda, so denken sie wohl. Das Firmengeflimmer der Deutschen Bank wird auch schon zusammen mit einer Tochter des Hessischen Rundfunks gemacht.

„Das ist in einer ganz tiefen Grauzone“, wetterte der Hamburger Unternehmer Turowsky. Und schrieb an ZDF-Chef Dieter Stolte, ob der nicht gar rechtswidrig handle. Der schickte einen lapidaren Brief zurück: „Ich möchte Ihnen an dieser Stelle versichern“, schrieb er, das ZDF verstoße „nicht gegen Recht und Gesetz“.

So dürftig wollen sich die Konkurrenten aber nicht abspeisen lassen. Schon hat sich der Privatfunkverband VPRT eingeschaltet. Der beschwerte sich über die „gebührenfinanzierte Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ bei Niedersachsens Staatskanzlei, die für die Rechtsaufsicht über das ZDF zuständig ist. Business-TV habe mit dem Grundversorgungsauftrag des ZDF nichts zu tun, schimpft Privatsenderlobbyist Hartmut Schulz vom VPRT: „Da könnten die auch eine Restaurantkette aufmachen.“

ZDF-Sprecher Baum kontert, die Tochterfirma sei eine „eigenständige GmbH“, der niemand verbieten könne, auf dem Markt tätig zu werden. Die Konkurrenz stößt indes bereits heftige Drohungen aus. Wenn ARD und ZDF sich im Business-TV engagieren sollten, werde er dagegen „alle Möglichkeiten ausschöpfen“, erklärt n-tv-Chef Kuhlo. „Das schließt auch juristische Auseinandersetzungen ein.“ Georg Löwisch

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