: Greenpeace fühlt sich auf Siegeskurs
Die UmweltaktivistInnen feiern, mit ihrer Kritik an den Atomtransporten recht behalten zu haben, und fordern ein endgültiges Verbot. Ihre Bilanz: Es gibt weniger Spenden, aber mehr Kampagnen ■ Aus Hamburg Heike Haarhoff
Das geschäftsführende Trio präsentierte sich in angriffslustiger Siegespose: Walter Homolka, Birgit Radow und Brigitte Behrens, ChefInnen der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Deutschland, wissen, daß die Zeiten vorbei sind, da sie sich als „Panikmacher“ vor unsicheren Atommülltransporten von Atomindustrie sowie Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) auslachen lassen mußten: „Diejenigen, die uns öffentlich diffamiert haben, sitzen jetzt selbst auf der Anklagebank“, kübelte Radow gestern aus der Regenbogen-Zentrale in Hamburg die gleiche Häme zurück, mit der die Umweltschutzorganisation vor dem Castor-Skandal um verstrahlte Atommülltransporte von Deutschland nach Frankreich von Bundesumweltministerium und Atomkraftwerksbetreibern bedacht worden war.
Doch Schuldzuweisungen allein bringen keine Genugtuung, und deswegen fordert Greenpeace, das im vergangenen Jahr 3.500 neue Fördermitglieder gewann und damit von insgesamt 520.000 Menschen in Deutschland unterstützt wird, „Taten statt Warten“: Die Zeit sei reif für eine Energiewende, rief der seit April amtierende erste Geschäftsführer Homolka. Noch vor der Bundestagswahl am 27. September müßten „konkrete Schritte zum Ausstieg aus der Atompolitik“ her. Das bedeute erstens „die sofortige Kündigung“ der Verträge mit den Wiederaufarbeitungsanlagen in La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien). Zweitens müsse das „endgültige Verbot aller Atommülltransporte“ kommen.
Was anschließend mit dem strahlenden Schrott passieren soll, darüber sind jedoch selbst die Experten von Greenpeace ratlos. Sicher: Übergangsweise könnten die Brennelemente in den Abklingbecken der AKWs gelagert werden. Und danach? Dezentrale Zwischenlager? Binnenländische Atomtransporte unter der Billigung von Greenpeace? „Wenn es den gesellschaftlichen Konsens gibt, daß man raus aus der Atomwirtschaft will, dann muß es auch einen Konsens für den Transport zu Zwischenlagern geben“, forderte Radow. Aber: „Auch rot- grüne Landesregierungen sind keine Gewähr für aktive Umweltpolitik.“
Die Energiewende, eine ökologische Steuerreform und der sparsame Umgang mit natürlichen Ressourcen sei der Schwerpunkt der Arbeit von Greenpeace in diesem Jahr, verkündete Homolka. Aber auch die Kampagnen, wie die derzeitige im Mittelmeer gegen Treibnetzfischerei, sollen ausgeweitet werden: 2,5 Millionen Mark zusätzlich investierte die Öko-Organisation allein im vergangenen Jahr in Proteste gegen Gift- oder Atommüll.
Erfolgreich: Seit dem 1. Januar ist das Exportverbot für Giftmüll aus der EU in Dritte-Welt-Länder und Osteuropa in Kraft, im Januar wurde das internationale Antarktis-Abkommen wirksam, das die Antarktis für 50 Jahre unter Schutz stellt. Mit 68,8 Millionen Einnahmen ging das Spendenaufkommen 1997 zwar um 1,1 Prozent leicht zurück, trotzdem sei das Ergebnis „sehr gut“, bilanzierte Geschäftsführerin Behrens. Gestiegen sei auch das Informationsbedürfnis in der Bevölkerung. 2,5 Millionen Info-Broschüren verschickte Greenpeace 1997 auf Anfrage: „Ein Rekord.“
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