■ Vorschlag: Britta und Parole Trixie und ein Buch über Popkultur und Feminismus
In Deutschland ist nur jeder zehnte Musiker eine Frau, mehr als die Hälfte von ihnen sind Sängerinnen. Die Musikindustrie, in der Frauen nur als Promo-Tanten ohne Aufstiegsambitionen Platz haben, bläst Gänschen wie Lucilectric zu Girlie-Ikonen auf. Von den politisch motivierten Riot Grrrls, die in Amerika wütend auf die Pauke hauten, Manifeste schrieben und tradierte Rollenmodelle auf den Kopf stellten, kamen hier höchstens verschmierter Lippenstift und Haarspängchen durch den Zoll. Das ist auch dem Buch zu entnehmen, das heute abend präsentiert wird. In „Lips. Tits. Hits. Power?“ haben Anette Baldauf und Katharina Weingärtner Texte zum Thema Popkultur und Feminismus gesampelt, Texte über die Geschichte der Riot-Grrrl-Bewegung, über die Rolle der schwarzen Frauen dabei, Texte von feministischen Theoretikerinnen und Aktivistinnen, die fast nur aus England und den USA stammen. Zum Thema Feminismus fallen jungen Frauen in Deutschland nämlich derzeit meist nur esoterische Sekten ein, die im Mondschein menstruieren: Frauen mit viel Haaren auf dem Kopf, den Zähnen und an den Beinen.
Nur wenige finden, daß es cool klingen sollte, sich Feministin zu nennen. Zu diesen wenigen gehören die Musikerinnen der All-Girl- Groups Britta und Parole Trixie, die heute abend spielen werden. Bei Britta, einer Post-Riot-Band aus Berlin, müssen Frauen weder jung noch ausgehungert sein. Ihre Sängerin Christiane Rösinger, ehemals Lassie Singers, stellt, anstatt dick aufzutragen und zu schreien, ihre ureigene Wirklichkeit mit den kleinen, charmanten Mitteln dar, die die Seele berühren. Große Gefühle werden als Illusionen entlarvt, der einsetzende Weltschmerz wird im nächsten Moment verspottet. Parole Trixie sind hauptsächlich die ehemalige Lassie-Sängerin Almut Klotz und Sandra Grether, die gern wie Lisa Simpson wäre. Damit erfüllt sie auf witzige Weise die schlimmsten Alpträume eines Mannes, der Mariah Carey nicht „von der Bettkante stoßen“ würde. Sie haucht ihrem eigenen Text Leben ein, der in besagtem Buch veröffentlicht ist. Darin beschreibt sie ihren Entschluß, sich vom Musikjournalismus abzuseilen, und erzählt von der Zeit, als sie magersüchtig war. Zum Glück spielt der Text in einem Traum, aus dem sie erwacht, weil Heike Makatsch zu ihr sagt: „Die einzige, die an der „Revolution-Girl-Style-Now“-Revolution gescheitert ist, bist du selber.“ Susanne Messmer
Heute, ab 20 Uhr, Rampe 002, Schlegelstr. 26/27, Mitte
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