: Warum 1979 eine Autobahn quer durch die Neustadt nötig wurde
■ SPD beschloß: Naturschutz zwischen Güterverkehrszentrum und Autobahn A 1 / So begann die 20jährige Planungs-Odyssee
Seit 20 Jahren nun wird an einer Autobahn-Verbindung des Güter-Verkehrs-Zentrum (GVZ) geplant, mal war ein „Trog“ unter der Neuenlander Straße die Idee, mal ein Tunnel unter dem Flughafen hindurch, mal eine Stelzenautobahn quer durch die Südstadt zur Autobahn-Auffahrt nach Brinkum. Schließlich führte die gedachte A 281 direkt über den Flughafendamm vorbei und in einem scharfen Knick irgendwie auf die Neuenlander Straße, die neueste Variante nutzt das mit 260 Millionen freigekaufte Großmarkt-Gelände für eine völlig neue Autobahn-Trasse quer durch das Gewerbegebiet am Flughafen (vgl. taz 2.6.).
Die Odyssee der Planungen deutet an, daß jede Lösung des Problems unbefriedigend ist, kein Wunder: Welche Großstadt denkt heute daran, eine sechs Kilometer lange Autobahn-Trasse quer durch den inneren Stadt-Bereich zu schlagen? Da das Verkehrsproblem wesentlich durch das GVZ mit seinen LKW-Schlangen entsteht, lohnt ein Blick in die Archive, wie man sich das damals eigentlich gedacht hatte. Denn in den 70er Jahren gab es den Plan, eine Autobahn-Verbindung (A 100, später A 5) vom Süden her zwischen Huchting und Grolland hindurch direkt zum Neustädter Hafen zu führen – in diesem Zusammenhang machte der Standort des GVZ Sinn. diese Linie wäre auch die direkte und kürzeste Verbindung zwischen GVZ und Hansalinie gewesen. Das GVZ wurde gebaut – die Verkehrsanbindung aber durch einen Beschluß der SPD verhindert. Denn die Autobahn an Huchting vorbei traf natürlich auf den Widerstand der Huchtinger und damit auch des dortigen Ortsvereins der SPD. Die Huchtinger wehrten sich damals genauso gegen die Erweiterung des Flughafens, dessen 2.000 Meter lange Startbahn wegen der direkt dahinter fließenden Ochtum (Sicherheits-Zone!) nicht voll genutzt werden konnte. 1979 gab es einen in diesem Kontext „historischen“ Beschluß des SPD-Landesparteitages „auf Drängen der Sozialdemokraten aus Huchting“, wie im Wahlkampf in Huchting unter den Köpfen von dem späteren Landesvorsitzenden und heutigen Bundestagsabgeordneten Konrad Kunick und dem Finanzsenator Moritz Thape verbreitet wird:
1. „Der Flughafen wird nicht ausgebaut“, aber die Ochtum wird so verlegt, daß die Startbahn „voll genutzt“ werden kann. Dieses Zugeständnis machen die Huchtinger, weil sie dafür erreichen, daß die Ochtum genau auf die früher gedachte Autobahn-Trasse zwischen GVZ und Hansalinie verlegt wird, mit umgebendem Naturschutzgebiet als „Park links der Weser“. Die SPD brüstete sich im Wahlkampf: „Verbinden mit einer Ochtumverlegung ... werden wir den Raum zwischen Grolland und Huchting zu einem Erholungspark entwickeln, der durch keinerlei Verkehrs-trassen durchschnitten wird.“
Die Neustädter Genossen, die nun die Torte im Auge hatten, waren natürlich gegen diesen Beschluß gewesen und trösteten sich mit dem Zusatz, daß die Trasse nicht unter der Neuenlander Straße verlaufen sollte. In Flugblättern erklärte die Neustädter SPD im Wahlkamp 1979 ihre Niederlage als Erfolg: „Die Grünen behaupten, es wäre ihr Verdienst, daß die Autobahn nicht unter der Neuenlander Straße gebaut wird. Dabei wissen es die Neustädter Bürger besser: Es waren Sozialdemokraten, die sich den Protesten der Bevölkerung angeschlossen haben. Dazu haben die Grünen nichts beigetragen.“
Damals ahnte niemand, daß mit diesem Beschluß zwanzig Jahre Stau auf der Neuenlander Straße und eine ebenso lange Planungs-Odyssee beginnen würden. K.W.
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