piwik no script img

Warten auf den kranken Scheich

Reiche Privatpatienten vor allem aus Arabien und Rußland sollen die leeren Kassen der Hospitäler füllen. Im Auguste-Viktoria-Krankenhaus stehen zwei Suiten mit orientalischem Flair bereit  ■ Von Kirsten Küppers

„Hello, my name is Gaby, I'm your nurse.“ Schwester Gabriele Neumann probt die Begrüßung eines arabischen Gastes. Stolz zeigt sie auf das Bett aus Kirschbaumholz und den Fernseher, aus dem ein arabischer Sender dudelt. Teppiche, Bilder und Faxanschluß fehlen zwar noch, aber die drapierten Vorhänge und ein dekoratives Sofa weisen bereits darauf hin, daß dies kein ganz normales Krankenzimmer ist. Die Attraktion der Luxussuite ist die spezielle Toilette, die auch ohne Klopapier und wie ein Bidet benutzt werden kann. Die Spülung kann per Ellenbogen oder Sensor betätigt werden.

Auch auf andere arabische Sonderwünsche wird nun im Auguste- Viktoria-Krankenhaus Rücksicht genommen. Gegenüber der Suite befindet sich ein nach Osten ausgerichteter Gebetsraum, Wände und Linoleumboden hat der Innenarchitekt mit Ornamenten versehen lassen. Die Schilder in orientalischer Schrift kommen demnächst.

In die zwei neuen Suiten mit arabischem Flair hat das Auguste- Viktoria-Krankenhaus rund 20.000 Mark investiert. Angelockt werden sollen damit reiche Patienten aus arabischen Ländern.

Nachdem die Berliner Krankenhausbetten nicht ausgelastet sind und die Krankenhäuser seit Anfang des Jahres die Einnahmen aus der Behandlung ausländischer Privatpatienten behalten dürfen, bemühen sich die Berliner Kliniken verstärkt um Gäste aus dem Ausland. „Das dient alles dem Erhalt der Arbeitsplätze“, erklärt Rütger Avedunk, Professor am Auguste-Viktoria-Krankenhaus. In Zeiten leerer Staatskassen seien die Kliniken froh um jede zusätzliche Einnahmequelle.

So pauken Gaby Neumann und neunzehn andere Krankenschwestern seit einem Monat in einem Crashkurs fleißig englische Vokabeln. Denn nicht jeder Scheich reist gleich mit Dolmetscher an. Und weil Arabischlernen zu schwierig ist, müssen sich die Schwestern vorerst mit Englisch durchwursteln. Immerhin sprechen zwei Ärzte der Klinik bereits Arabisch. Für Sauberkeit sorgt eine arabische Putzfrau.

Verpflegt werden die ausländischen Patienten von einem Catering Service, denn das Küchenpersonal wird für die neuen Gäste nicht auf Schweineschnitzel verzichten und scharfen Couscous kochen. Das wichtigste sei aber, daß die Klinik Diskretion garantiere, berichtet Angela Szczepanski, die Beraterin im schicken schwarzen Kostüm vom neueingerichteten „International Medicin Office“ des Auguste-Viktoria Krankenhauses. Schließlich ist die Klinik unter anderem auf Prostataleiden und Urologie spezialisiert. Der Sultan von Brunei etwa käme bestimmt nie wieder, würde man seine eventuelle Potenzstörung an die große Glocke hängen. Zwei Anfragen aus arabischen Ländern seien schon angekommen, erzählt Szczepanski stolz.

Patienten aus Bulgarien und Rußland gibt es inzwischen auch, aber die liegen derzeit noch in normalen Betten des Auguste-Viktoria-Krankenhauses.

Die Behandlung von ausländischen Gästen ist für das Deutsche Herzzentrum nichts Neues mehr. Seit zwei Jahren reisen verstärkt begüterte Araber und viele „neue Reiche aus Rußland“ an, sagt Kliniksprecherin Barbara Nickolaus. Fuhren sonst viele Patienten aus Ländern mit medizinischen Versorgungsdefiziten in die USA und nach England, um sich behandeln zu lassen, werden deutsche Kliniken immer beliebter, weil sie billiger und weniger weit weg sind.

Das Herzzentrum besitzt ein eigenes Gästehaus, in dem der Anhang der Patienten untergebracht werden kann. Aber bei den Arabern, die mit Familie, Bediensteten und Bodyguards auf Reise gehen, „kriegen wir gar nicht alle unter“. Auch wegen deren hohem Anspruch auf Serviceleistungen werde dieser „Troß“ der Patienten auf die Nobelhotels der Stadt verteilt. Ansonsten müssen sich die rund 50 ausländischen Patienten pro Jahr in den normalen Klinikalltag einfügen. Das Krankenhaus müsse lediglich akzeptieren, daß bei manchen Patienten der Bodyguard immer dabei sei.

Angeworben werden die noblen Gäste aus dem Ausland über Reiseagenturen, das Internet, Kongresse oder Partnerkliniken im Ausland. Für das Herzzentrum macht auch die Lufthansa Reklame.

Wolfram Boschke, Geschäftsführer des Bundesverbands für Deutsche Privatkrankenanstalten, plädiert für einen Ehrenkodex der Kliniken bezüglich der Behandlung ausländischer Patienten. Die Gäste müßten vom Flughafen abgeholt werden und fremdsprachig betreut werden. Außerdem dürften Ausländer nicht in Konkurrenz zu deutschen Patienten treten.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen