Schlagergulasch, laut serviert

Caterina Valentes Karriere zerfiel in mehrere Stränge: In den angelsächsischen Ländern schätzte man schon früh ihre Entertainerqualitäten und ihr musikalisches Gespür, in Japan sang sie Popmusik, in Brasilien kultivierte sie den Bossa. Bei uns dagegen hatte es die Valente schwer, ihre künstlerische Vielseitigkeit zur Geltung zu bringen. Hier war sie lediglich Ulknudel und Clown. Ein neues Buch läßt dem Weltstar endlich Gerechtigkeit widerfahren  ■ Von Reinhard Krause

Ihre Anfänge waren umwälzend und bieder zugleich: „Steig in das Traumboot der Liebe“ (1954) und „Ganz Paris träumt von der Liebe“ (1956) waren sentimental-schwärmerische Schlager im muffigen Stil der frühen fünfziger Jahre. Neu hingegen war, daß die grazile Caterina Valente diese Titel mit metallisch-scharfer Diktion und erschreckend kräftigem Organ darbot. „In den fünfziger Jahren“, befindet Dieter Bartetzko, Feuilletonredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, „sang niemand so herausfordernd laut wie Caterina Valente.“

Damit war sie in ihrer Zeit ein Unikum für den deutschen Schlagermarkt. In einer spannenden, kultur- und sozialgeschichtlich unterfütterten Würdigung analysiert Bartetzko die Karriere Caterina Valentes analog zum Weg Westdeutschlands aus postfaschistischem Nachkriegsmuff in die Weltläufigkeit einer erwachsen gewordenen westlichen Demokratie. Ihre Wurzeln freilich sind allenfalls für die kleine Kaste international agierender Weltstars wie Charles Aznavour oder Dalida typisch, die überall und nirgends daheim sind.

1931 als Tochter der italienischen Musikclownin Maria Valente und eines spanischen Akkordeon-Virtuosen in Paris geboren, wuchs Caterina Valente im Zirkusmilieu auf. Während des Zweiten Weltkriegs blieben die Valentes in Deutschland hängen. Gegen Kriegsende wurde die Familie von den Nazis interniert und von den Russen nach Odessa deportiert. Lebensgeschichtliche Details, die Bartetzko nur streift.

1952 wird die Valente durch Heirat deutsche Staatsbürgerin. Bandleader Kurt Edelhagen, der später mit Hilde Knef durch die Lande tourt, erkennt das Potential ihrer jazzgeschulten Stimme, das deutsche Publikum allerdings bekommt zunächst vor allem Altbewährtes geboten. Gegen die Inhalte von Caterina Valentes frühen Schlagern kann auch die Elterngeneration nichts einwenden, allenfalls gegen die Lautstärke ihres Gesangs. Das frische Mädchen mit der kecken Pferdeschwanzfrisur bekommt dadurch eine überaus zupackende Note. Einer der frühen Valente-Titel, 1955 im Terzett mit dem notorischen Bruder Silvio Francesco und Peter Alexander gesungen, heißt denn auch: „Es wird besser besser besser“. Unerwähnt läßt Dieter Bartetzko, daß dieses marschliedartige Stück mit parodistischem Schluß endet: „Doch kommt dann eines Tages die große Inventur, dann geht's runter runter runter, denn das ist nun mal der Lauf der Konjunktur.“ Auch die junge Republik war nicht gänzlich ohne Skepsis und Spott.

In Frankreich und England wird Caterina Valente als Neuentdeckung aus Deutschland annonciert. Gegen anfängliche antideutsche Vorbehalte setzt sie sich mit einem strikt auf Internationalität ausgerichteten Programm durch. Je erfolgreicher sie im Ausland wird, desto mehr vergessen die Bundesbürger, daß sie Deutsche ist. Ihrem deutschen Management ist's recht: Von der Italienwelle inspiriert, präsentiert man die Entertainerin im Film und auf Platte als temperamentvolle Südländerin undefinierbarer Herkunft: Es wird zur Manie, in ihre Texte charmant falsches Deutsch einzustreuen.

Fast zehn Jahre lang besingt die Valente unermüdlich diverse Pedros und Pepes, die unter Palmen ein armes, aber doch unbekümmertes Leben führen. „Tipitipitipso“, „Itsy Bitsy Teeny Weeny Honolulu-Strand-Bikini“ und der „Popocatepetl-Twist“ sind nur die bekanntesten unter Dutzenden von Schlagern, die dazu führten, daß die Valente schlußendlich als krawallige Italo- Schweizerin gilt, der man das rudimentäre Deutsch nachsehen muß.

„Ulk“, diagnostiziert Bartetzko, „war das Grundgesetz aller Grenzüberschreitungen Caterina Valentes; die sexuellen Verklemmungen der Ära waren der eiserne Vorhang, an dem Frivolität endete, kaum daß sie aufgekeimt war“.

Dem clownesken Erbgut der Valente kamen diese Restriktionen freilich entgegen. Unverdrossen kultivierte sie die Kunst, peinliche Texte möglichst unpeinlich zu singen: „Hucke-Tucke, hey sag, wie geht es dir? Heidi-Geidi, mir geht's allright.“ Inmitten des deutschen Nachkriegsinfantilismus gelangen bisweilen aber auch bewußtseinserweiterende Momente. So etwa beim Calypso „Augen hast du wie Kakao“, in dem die Valente pseudodümmlich herumrätselt, woher ihr samtäugiges Gegenüber wohl stammen mag. Nach diversen Fehlversuchen (“Bist du etwa Mexicano?“) gibt sie schließlich auf und erkennt: „Solltest du auch sonst woher sein, das soll mir total egal sein. Ich hab' dich lieb.“

Die internationale Karriere entwickelte sich ganz nach dem Gusto der Sängerin. In den sechziger Jahren wurde sie Stammgast in den wichtigsten US-amerikanischen Fernsehshows, ihre japanischen Popsongs sind Legende. Vor allem aber entwickelte sie sich zu einer staunenswerten Botschafterin des brasilianischen Bossa.

Nur in Deutschland wurde sie auf jeden neuen Modetanz angesetzt. Ob Calypso, Madison, Twist oder Slop: Caterina Valente sang alles mit den ihr verordneten überprononcierten Vokalen. Erst 1965 kam mit der Single „Kismet“ der Umbruch. Zu harten Beatrhythmen im Stil der frühen Renate Kern sang die Valente plötzlich akzentfreies Hochdeutsch.

Sie war kaum wiederzuerkennen, zumal sie auf ihren lauten Stil kein Monopol mehr besaß. Jedoch – der esoterisch angehauchte Song floppte. „Die Erwachsenen wollten andere Lieder von der Valente, die Jugendlichen andere Interpreten.“ Paradox: Erst als in Deutschland der Erfolg ausblieb, gewann Caterina Valente auch hier die Freiheit, ihr internationales Showformat unter Beweis zu stellen.

Auch wenn sie ihr musikalisches Programm schon einmal selbstironisch als „some kind of a musical goulash“ nannte, war die Valente, so Bartetzko, „auf der Höhe ihrer stimmlichen Möglichkeiten und endlich in ihrem inneren, Jazz und Chanson verschmelzenden Paris angelangt“. Seitdem gilt sie als Doyenne der Unterhaltungskunst, die sich nur noch gelegentliche Ausflüge ins Tagesgeschäft des deutschen Schlagers gestattet.

Dieter Bartetzko: Wo meine Sonne scheint. Caterina Valente. Ein Wirtschaftswunder. dtv, München 1998, 28 Mark; beste CD- Sammlung: Caterina Valente – Mit tausend Träumen durch die Zeit, 6-CD-Box, Bear Family Records BCD 15 827 FI, 210 Mark