: Neun Monate Streit um Kita-Gutachter
■ Wer darf beurteilen, wo bei den Bremer Kitas zu sparen ist? Sozialressort will einen dem Hause sehr verbundenen Gutachter/ Die Personalbehörde SKP und Freie Träger sind dagegen
Als das Oberverwaltungsgericht im Herbst 1997 die Kita-Gebühren für rechtswirdig erklärte und der Senat eiligst eine neue Gebührenordnung aushandeln mußte, da schwante dem Finanzsenator: Unterm Strich würden aus Elternbeiträgen künftig einige Millionen weniger in seine Kasse fließen. Das Finanzressort band seine Zustimmung deshalb an die Forderung, daß ein Organisationsgutachten über die bremischen Kitas erstellt werden sollte. Das Gutachten sollte – per Analyse der Kostenstruktur – Hinweise geben, wie der „Kostendeckungsgrad“ durch Elternbeiträge auf 15 Prozent der Kita-Kosten gesteigert werden könnte. „Zur Sommerpause 1998“ sei das Gutachten vorzulegen, beschloß der Senat im vergangenen September. Und der Senat drohte: Falls die Expertise nicht Spar-Potentiale von jährlich zwei bis drei Millionen Mark aufdecke, würde der Finanzsenator eben einen Weg ohne Gutachter-Vorschläge suchen, „einvernehmlich“ mit der zuständigen Sozialsenatorin, versteht sich.
Seitdem ist wenig geschehen. Anfangs waren zunächst drei Monate ins Land gegangen, nachdem Gutachter McKinsey angefragt, dann aber wegen seiner Preisidee von 1,7 Millionen Mark als ziemlich teuer verworfen wurde. Schließlich wurde das Gutachten ausgeschrieben; bis 400.000 Mark solle der Kostenrahmen sein. Am 30. Januar gab es eine Anhörung, die Gutachterfirmen KPMG und Wibera präsentierten ihre Konzepte, der erstere deutlich über dem Preislimit, der zweite darunter.
Dann begann der Streit. Der „Lenkungsausschuß“ für das Gutachten, in dem neben der Sozialbehörde auch die Freien Träger, Personalrat und Elternvertretung sitzen, stimmte am 19. April einhellig für die Wibera. Nur die Vertreter der Sozialbehörde waren für KPMG. Dieser Vorgang liest sich in der Senatsvorlage, die das Sozialressort morgen im Senat präsentiert, so: „Eine einhellige Empfehlung der Arbeitsgruppe konnte nicht erreicht werden.“
Für die Mehrheit der Mitglieder in der Arbeitsgruppe liegt auf der Hand, warum das Sozialressort für den teureren Gutachter KPMG ist: KPMG will für die Arbeit einen Mann schicken, der mit dem Ressort schon seit Monaten zusammenarbeitet – und zwar für die „Neuorganisation der Sozialen Dienste“ (Putog) und für die Organisationsenwicklung im Umweltressort. Dieser Gutachter Tormin gilt dem zuständigen Staatsrat Christoph Hoppensack als sehr verbunden. Kritiker sagen, „da kann der Staatsrat das Gutachten auch selber schreiben“.
Aus demselben Grund ist auch der Finanzsenator gegen KPMG/Tormin: Tormin nämlich hatte für die Senatskommission für das Personalwesen (SKP) ein Gutachten erstellt, das Staatsrat Beermann überhaupt nicht gefiel; noch wird über die Rechnung gestritten. Also schrieb der Finanzsenator Anfang Mai einen deftigen Brief an die Sozialsentorin: sie solle Herrn Tormin bitte nicht nehmen. Da das eigentliche Argument nicht genannt werden kann, begründete der Finanzsenator, KPMG/Tormin sei teurer.
Für das Sozialressort hatte der Gutachter Tormin einen anderen Vorteil: Er wollte eine Staatssekretärin mit pädagogischen Fachkenntnissen mitbringen, die die pädagogische Leistung der Kitas besonders beurteilen sollte. Das könne man auch, beeilte sich die Gutachterfirma Wibera, einen Professor aus Süddeutschland aufzubieten. Immer noch war Wibera preiswerter als KPMG, und immer noch war das Sozialressort für KPMG/Tormin.
Wieder gab es keine Entscheidung, stattdessen sollten die Gutachter ihre Preise unter der Maßgabe überdenken, daß das Ressort bei der Begutachtung stärker behilflich sein könnte. Obwohl es gegen alle Vertrauensgrundsätze verstieße, wenn die Gutachter KPMG/Tormin den neuen Preis der Konkurrenz von der Wibera erfahren hätte, landete der letzte KPMG-Vorschlag präzise 2.000 Mark unter dem Angebot der Wibera. Mit dieser Begründung will ihn das Sozialressort morgen im Senat vorschlagen. Der Finanzsenator wird sich dagegen jetzt eine neue Begründung einfallen lassen müssen.
K.W.
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