: Jenoptik AG im Osten verwurzelt
■ Das Ost-Vorzeigeunternehmen verkauft ein Viertel seiner Anteile an Thüringer Kleinstanleger. Heute geht es an die Börse
Berlin (taz) – Das hat sich Lothar Späth, Vorstandsvorsitzender der Jenoptik AG, schön ausgedacht: Statt in den Pausen in der Kantine mal eben am schwarzen Brett des Betriebsrats vorbeizuschlendern und sich über gewerkschaftliche Aktionen zu informieren, drängen sich die Beschäftigten nach dem heutigen Börsengang nun täglich zum Börsenschluß vor der – extra aufgestellten – aktuellen Notierungstafel. Spannendste Frage: Wie macht sich das eigene Unternehmen? Und anschließend die Diskussion: Wie können wir das Image und damit den Kurs verbessern?
Damit nicht genug, die Jenoptik AG und ihr Wohlergehen an den Finanzmärkten dürfte nun auch bislang unbeteiligten Thüringern am Herzen liegen. Nachdem die Emissionsbanken gestern nicht nur eine 26fache Überzeichnung der Aktien – statt 22,7 Millionen Aktien hätte die Jenoptik locker 613 Millionen Anteile ausgeben können –, sondern auch ein „unerwartetes Interesse von Kleinanlegern aus der Region“ gemeldet hatten, verkündete die Unternehmensleitung, diese „besonders zu berücksichtigen“. Bei der großen Nachfrage könne die Jenoptik AG es sich leisten, „strukturiert zu plazieren“, sagte Pressesprecher Jörg Hettmann.
So wird das Land Thüringen, das bislang 46 Prozent des Kapitalvermögens innehatte, 18,9 Prozent behalten – „als Zeichen dafür, daß wirklich privatisiert wird“. Um eine gewisse Stabilität zu gewährleisten, besteht aber ein zweijähriges Verkaufsverbot. 8,2 Prozent entfallen auf die Banken. Der ehemalige Eigentümer der jetzigen Jenoptik-Tochterfirma Krone bekommt im Tausch gegen seine restlichen Krone-Anteile nun 7,4 Prozent von Jenoptik. Für die Beschäftigten und die Manager bleiben 4,1 Prozent. Von den 61,1 Prozent, die noch verfügbar sind, sollen 44 Prozent an Privatanleger gehen. Um den „lokalen Bezug zu fördern“, wie Hettman betont, sollen dies vor allem Kleinstanleger aus der Region sein.
Konkret: Wer in Thüringen zwischen 100 und 199 Aktien gezeichnet hat, bekommt eine Festzuweisung von 100 Anteilen. Während die Beschäftigten für die eine Million Vorzugsaktien mit durchschnittlich 15 Mark pro Anteil wegkamen, legten die Banken den Ausgabekurs für die frei verkäuflichen auf 34 Mark fest.
Angesichts dessen sehe die Belegschaft dem Börsengang positiv entgegen, erklärte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, Reißmann, gestern. Nicht ganz so zufrieden sind die Gewerkschaften. Zwar unterstütze er grundsätzlich die Beteiligung der Beschäftigten am Produktivkapital, sagte Rolf Düber, vom DGB-Landesbezirk Thüringen. Er halte es jedoch für fatal, wenn Späth als Vorstandsvorsitzender nun „durch die Lande zieht und Jenoptik als offenes Unternehmen sowie den Börsengang als Modell zur Rettung des Ostens verkauft“. In erster Linie würden die Beschäftigten nur enger an das Unternehmen gebunden. Eine stärkere Mitbestimmung, wie sie ursprünglich mit der Forderung nach Beteiligung verbunden gewesen sei, gebe es jedoch nicht: „Das ist bei der geringen Anzahl an Anteilen und nach dem deutschen Aktienrecht doch gar nicht möglich.“
Lieber gesehen hätten es der DGB und auch die IG Metall, in deren Organisationsbereich die Jenoptik AG fällt, wenn das Unternehmen einen Teil der Aktien in einen überbetrieblichen Fonds gegeben hätte, in den sich dann Beschäftigte und Thüringer „und vielleicht auch Arbeitnehmer aus ganz Deutschland“ mit einem erheblich geringeren Risiko hätten einkaufen können.
„Ein Vermögen verlieren kann hier doch ohnehin keiner“, hält Reißmann dem entgegen. Aktien für mehr als 5.000 Mark habe wohl kein Beschäftigter bekommen. Außerdem sei der Betriebsrat – wie auch die Geschäftsführung – ohnehin „guten Mutes“, was mögliche Kurssteigerungen angehe. „Sonst hätten wir das doch gar nicht unterstützt.“ Beate Willms
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