: Gefängnis für antisemitische Hetze
■ Früherer Meister im Gewichtheben wegen Volksverhetzung verurteilt. Geldstrafe für einen Bruder im Geiste
Bis zu seinem 40. Lebensjahr habe er sich „nur für deutsche Rekorde im Kraftsport interessiert und sonst nichts“. Wäre Günther Roersch bei seinem damaligen Lebenswandel geblieben, hätte er der jüdischen Gemeinde verunglimpfende Hetzschriften erspart und sich selbst eine dreimonatige Gefängnisstrafe. Statt dessen verteilte der mehrfache Deutsche Meister im Gewichtheben im vergangenen Herbst in Gollwitz, einer kleinen Gemeinde in Brandenburg, antisemitische Flugblätter. Das Hamburger Amtsgericht befand ihn dafür gestern der Volksverhetzung für schuldig.
Die Arme links und rechts lässig über die Rückenlehne gelegt, strahlt Roersch die Siegessicherheit aus, die sich in seinem Leben oft auf dem Siegertreppchen erfüllt hat. Auch im Gerichtssaal zeigt er unverhohlenen Stolz. Die 408 Einwohner von Gollwitz hätten gewußt, daß sie keine jüdischen Migranten aus der Sowjetunion in ihrem Dorf haben wollten. Nur die Argumente gegen diese Menschen, die hätten ihnen gefehlt, und Roersch habe sie ihnen Ende Oktober geliefert: Jüdische Zuwanderer seien Sozial-Schnorrer und Asylbetrüger. Niemand verfolge in Rußland arbeitswillige Juden, im übrigen sei Israel gerne zu deren Aufnahme bereit. „Deutsche“, forderte er die Gollwitzer abschließend auf, „wehrt euch gegen gezielte Überfremdung!“
Das brauchte den EinwohnerInnen des Dorfes allerdings nicht mehr gesagt zu werden. Ende September hatte der Gemeinderat einstimmig beschlossen, in dem brandenburgischen Dorf kein Übergangswohnheim für russisch-jüdische EmigrantInnen zuzulassen. Sprüche wie „soll Ignatz Bubis doch die Juden nehmen“ und „kommen die Russen, kommt die Mafia“ hatten den Weg zu diesem Gemeinderatsbeschluß gepflastert. Zurückgenommen wurde er Mitte Oktober erst, nachdem Gollwitz in die Schlagzeilen und Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe durch seinen Versuch, das Ganze als „Planungsfehler“ schönzureden, in die Kritik geraten war. Durch das Verteilen der antisemitischen Flugblätter hatte Roersch nicht das erste Mal jenseits einer sportlichen Siegerehrung von sich reden gemacht. 1993 hatte er den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker bei einer Theaterpremiere in Hamburg geohrfeigt. Dafür war er zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden.
Wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung verurteilte das Amtsgericht gestern noch einen zweiten Angeklagten. Der 30jährige hatte im April 1996 über Polizeifunk Naziparolen gesendet und die Gründung eines „deutsch-nationalen Zirkels“ angekündigt. Dafür hat er nun eine Geldstrafe von 8400 Mark zu zahlen. Er habe zu Gewalt und Haß aufgerufen, erklärte der Amtsrichter. Grund für die Strafe sei zudem ein weiterer Aspekt: PassantInnen hätten die Sprüche aus den Geräten der Polizei gehört. Damit seien die Ordnungskräfte in einen „schlimmen Verdacht“ geraten.
Elke Spanner
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