■ Fuchs Du hast ...
: Spielt ihm das Lied vom Tod

Hätte er doch Gänse in Uttum, Pewsum oder Hinte gestohlen. Kein Hahn hätte gekräht. Nein, Meister Reinecke soll weitab vom Festland auf der Nordseeinsel Borkum schnüren. Wie das? Kläglich ersaufen würde Rotrock, schliche er auf ordentlichem Wege durchs Watt. „Niemals hat es hier Füchse gegeben.“ Der Borkumer Jagdpächter Wim Aggen ist erschüttert.

„Eingeschmuggelt, ganz klar eingeschmuggelt“, für Festländer ein kurzer Satz, für den Borkumer Nationalparkwärter und Jäger Alfred Byl eine Kurzgeschichte. Er hat den Fuchs gesehen. Einmal. Letzte Woche. Warum hat er nicht geschossen? „Ich hatte kein Gewehr dabei, die Leute kriegen sonst Angst.“

Füchse darf es laut Gesetz auf keiner Nordseeinsel geben. Sie könnten Seuchen einschleppen, und sie schlagen sich mit seltenen Watvögeln den Bauch voll. Zwar vernichtet die derzeit frühe Heumaat an der Küste tausende Jungvögel, aber der Fuchs, der ist ein vorzeigbarer Artenkiller. „Wir waren immer fuchsfrei“, läßt wenig sensibel der Leiter des Borkumer Ordnungsamtes verbreiten und stellte Anzeige gegen Unbekannt. Denn das ein Fuchs nur widerrechtlich und heimtückisch auf die Insel verbracht worden sein kann, daß muß mal klar sein. „Anders ist nichts möglich“, erklärt Albert Byl. Der Anzeige beigefügt ist eine Liste von Augenzeugen, die den Rotrock gesehen haben. „Gesehen haben wollen“, korrigiert der Leiter des Inselkommissariates, Karl-Heinz Beismann. „Uns liegt eine Anzeige wegen Ordnungswidrigkeit vor.“

Polizeiamtlich gesichtet wurden der Fuchs, die Füchsin oder die Füchse trotzdem noch nicht. „Das ist kein Gag“, zerstreut die Kurverwaltung Gerüchte. Nessie, das Ungeheuer von Loch Ness entspannt sich nicht als Leihgabe im Fuchsgewand am Strand. Tiertransporte zum Wohle der insularen Jägerschaft sind an der Küste üblich. 1954 wurden auf Borkum die ersten Rehe aus Dänemark eingeführt. Nachbarin Norderney siedelte Damwild an. Noch weit bis in die 80er Jahre fielen Opas und Omas beim Bestellen der Gräber ihrer Liebsten im Ohnmacht, wenn plötzlich im Nebel ein kapitaler Hirsch vor der Gruft auftauchte. Friedhöfe sind beliebte Wildweiden, und wann sieht ein Insulaner schon mal einen Hirsch? Irgendwann setzte ein Unhold Elstern auf Borkum aus. Seitdem gibt es eine Elsternplage. Der Oberhammer auf Borkum aber waren bislang Frettchen. Jäger benutzten die Tiere, um Kaninchen zu jagen. „Wir haben nur männliche Tiere auf die Insel gebracht“, schwört ein unerkannt bleiben wollender Insulaner. Irgend ein Bösewicht ließ dann aber weibliche Frettchen frei. Statt Kannichen gibt es heute wilde Frettchen.

Und der Fuchs? Ist es ein Fuchs? Einer, zwei oder gar drei? Darüber schweigen sich die Augenzeugen aus. „Wir können hier keine Kolonnen von Treibern durch die Dünen schicken, das ist gegen den Naturschutz.“ Der Nationalparkwärter Byl siegt über den Jäger Byl.

Stattdessen sitzen Jäger rund um die Uhr auf den Hochsitzen und warten auf Fuchsähnliches. Und was macht die Polizei? „Wir jagen nicht“, so Dienststellenleiter Beismann. Aber was ist, wenn eine Streife auf einen Fuchs oder so trifft? „Dann nehmen wir die Schußwaffe.“

Thomas Schumacher