Französisch und italienisch kosten extra

■ Kündigung, Neubau, Sommertheater: Wie in Bremen das kaum reformierbare Stadttheater reformiert wird

Today we'd like to write in english. ¿O como es en español? Che? Lei ama giornali italiani? Gut, dann nicht. Denn hier stiftet der Eurococktail nur Verwirrung. Anderswo aber läßt die Sprachenvielfalt die Kasse klingeln. Im deutschen Stadttheater zum Beispiel. Genauer: Im Opernchor. Denn für jede in einer Fremdsprache gesungene Passage verdienen die SängerInnen eine Zulage. Auch tänzerische Bewegungen werden extra vergütet. Das gilt für alle Opernchöre an Stadttheatern zwischen Kiel und Konstanz, weil es der „Normalvertrag Chor“ bundesweit so regelt. Und ein jeder, der das bislang ändern wollte, hat sich daran die Zähne ausgebissen. Gleichwohl hat der Aufsichtsrat der Bremer Theater GmbH gestern abend über Reformen beraten. Denn die hausinterne Strukturreformkommission, die vor einem Jahr ein Paket von Veränderungsvorschlägen vorgelegt hatte, hat jetzt bilanziert, was umgesetzt wurde und was noch nicht. Der Chor bekommt es zu spüren.

„Wir haben die ,Hausvereinbarung Chor' gekündigt“, sagt Uli Fuchs, Dramaturg und Leiter der Kommission, die mit TheatermitarbeiterInnen und externen BeraterInnen besetzt war. Diese Hausvereinbarung sah vor, daß Proben bis 13 Uhr beendet sein mußten und – inclusive Pause – nicht länger als drei Stunden dauern durften. Darüber soll es bei Proben häufiger Streit gegeben haben als über die Frage, wo das Gehen aufhört und das Tanzen beginnt.

Die Arbeitsbedingungen für den beim Publikum überaus beliebten Chor des Bremer Theaters sind also – na ja – schwieriger geworden. Doch daß dieser Text ausgerechnet mit dem Thema Chor anfängt, wird Uli Fuchs nicht behagen. Er sähe es bestimmt lieber, wenn die taz schreibt, wie blöd McKinsey ist.

Okay: McKinsey macht Fehler. In ihren sogenannten Benchmark-Vergleichen haben die GutachterInnen, die vor einem Jahr in Bremen ausschwärmten, auch in Sachen Theater etwas herausgefunden: Das Nationaltheater Mannheim kommt mit viel weniger Abendpersonal aus, stellten sie unter anderem fest. Doch bei einem Ortsbesuch sah Uli Fuchs die Ursache: Im Gegensatz zu Bremen haben das Opern- und das Schauspielhaus ein gemeinsames Foyer mit gemeinsamem Einlaß und Garderobe. In Bremen ist es also ein kaum bis gar nicht lösbares Bauproblem. Trotzdem können die BremerInnen vom Theater Mannheim oder einem anderen Vergleichsobjekt, dem Theater Basel, lernen. „Das Theater Mannheim hat es geschafft, ein viel größeres Stammpublikum aufzubauen“, sagt Uli Fuchs. Das soll jetzt durch die Zusammenarbeit mit dem Besucherring Otto Kasten im Bremer Umland geschehen. Und in Basel ist man in Sachen High-Tech weiter: In jeder Filiale der Kantonalbank Basel steht ein Online-Verkaufsterminal für Theaterkarten.

Vielleicht ist dafür ja bald Geld übrig: Auf Empfehlung sowohl von McKinsey als auch von der Reformkommission werden ab Sommer neue Probebühnen auf dem Theatergelände gebaut. Ab Herbst 1999 spart das Theater die jährliche Miete für auswärtige Probebühnen in Höhe von 500.000 Mark. Die Einsparung soll im Theater verbleiben, das inclusive Orchester über einen Jahresetat von rund 42 Millionen Mark verfügt.

Wenn das Theater so weitermacht, könnte der Etat auf der Einnahmenseite steigen. Nach dem Bericht ist die Auslastung der Spielstätten bis zum Stichtag 31. März 1998 auf 78 Prozent angewachsen. Im Vorjahr lag sie noch bei 66,5 Prozent. Zum Teil mögen die Vorschläge der Kommission dazu beigetragen haben. Die hatte von Verbesserungen im Kartenservice, der Vermarktung oder in der hausinternen Kommunikation zahllose eher unspektakuläre Ratschläge gegeben. Das gilt auch für die Sommerbespielung, die am 21. Juli mit der Gastspielproduktion „Porgy and Bess“ erstmals beginnt. Knapp die Hälfte der insgesamt rund 20.000 Karten sind bereits jetzt verkauft. Ein Erfolg, der nicht nur Uli Fuchs überrascht. Zumal das Bremer Theater, so kritisiert die Reformkommission, bei Kampagnen der Firmen aus dem Imperium der Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft (HVG) kaum bis gar nicht vorkommt. Dafür soll die Arbeit der Kommission bei BesucherInnen sofort spürbar werden: In dieser Woche beginnt eine Befragung von TheatergängerInnen.

Trotz allem bleibt auch das Bremer Theater ein Gebilde mit seltsamen Regeln. Im Gegensatz zu anderen Theatern ist es in Bremen zwar nicht mehr tabu, daß BühnenarbeiterInnen des kleinen (Schauspiel-) Hauses auch im großen Haus tätig sind. Aber die Bereiche Werkstätten und Bühnentechnik sind nach wie vor strikt getrennt. Unter dem auch aus (anderen) Behörden bekannten Stichwort Budgetierung in Abteilungen will der technische Direktor Karl-Heinz Krämer Anreize für weitere Reformen schaffen.

Uli Fuchs erhofft sich davon genauso frischen Wind wie vom neu gewählten und verjüngten Betriebsrat. Dem gehören wieder VertreterInnen aus dem Schauspiel an. Intern laut gewordene Forderungen nach einem Mitspracherecht bei der Rollenvergabe werden dem Vernehmen nach jedoch als utopisch eingestuft. Veränderungen an einem Stadttheater sind schwer durchzusetzen.

Die Ex-Kultursenatorin Helga Trüpel (Bündnisgrüne) hatte ihre Entscheidung für Klaus Pierwoß 1994 auch damit begründet, daß sich der neue Intendant für Strukturreformen einsetze. Doch inzwischen ist er, heißt es, nicht mehr sonderlich aktiv in dieser Angelegenheit. Aber wer will es ihm nach dem jahrelangen Gerangel um den Etat verdenken? ck