: SPD streitet ums Asylgesetz
■ Streichung von Sozialhilfe abgelehnt
Berlin (taz) – Die SPD-Fraktion hat sich überraschend entschlossen, am Freitag im Bundestag die geplante Streichung von Sozialleistungen für Flüchtlinge abzulehnen. Sie wird damit gegen einen Gesetzentwurf des Bundesrats stimmen, der unter maßgeblicher Beteiligung Niedersachsens zustande gekommen war und den SPD- Kanzlerkandidat Gerhard Schröder öffentlich befürwortet hatte. Eine entsprechende Einigung sei am Montag abend im Fraktionsvorstand erzielt worden, bestätigte die Abgeordnete Brigitte Lange der taz.
Fraktionschef Scharping hatte am Dienstag angedeutet, daß die Haltung der SPD im Bundestag von der Position mancher SPD-geführter Länder abweiche. Die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) war von einem beispiellosen Bündnis aus Wohlfahrtsverbänden, internationalen Flüchtlingsorganisationen und Kirchen abgelehnt worden. „Die Fraktion wird das nicht schlucken“, sagte gestern Brigitte Lange, die als SPD-Obfrau im federführenden Gesundheitsausschuß sitzt.
Der Ausgang der Abstimmung am Freitag hängt nunmehr maßgeblich von der FDP ab, da die Union dem Entwurf voraussichtlich zustimmen wird. Gestoppt werden kann das Gesetz nur, wenn Abgeordnete wie Jürgen Möllemann, Cornelia Schmalz-Jacobsen und andere bei ihrer wiederholt erklärten Ablehnung bleiben. Unklar ist, welche Zustimmung bei den Freidemokraten ein Kompromißvorschlag der Koalition findet, der offenbar über die Köpfe mehrerer FDPler hinweg beschlossen wurde. „Ich fürchte“, so die grüne Abgeordnete Andrea Fischer, „daß die FDP sich für die Koalitionsräson entscheidet und dafür die Flüchtlinge über die Klinge springen läßt.“
Der niedersächsische Innenminister Glogowski (SPD) hatte bereits am Montag angekündigt, die SPD-regierten Länder würden dem Entwurf bei der abschließenden Beratung im Bundesrat am 10. Juli in jedem Fall zu einer Mehrheit verhelfen. Als „perfide Doppelstrategie“ kritisierte Andrea Fischer daher die geplante Ablehnung des Gesetzes durch die SPD im Parlament. „Im Bundestag kehrt sie die moralische Seite heraus, und anschließend macht dann Glogowski die Drecksarbeit.“
Schleswig-Holsteins Innenminister Ekkehard Wienholtz (SPD) kündigte allerdings an, sein Land wolle das geplante Gesetz auf jeden Fall abmildern. Der Gesetzentwurf beinhalte „grobschlächtige Formulierungen, die keine Differenzierung zulassen“. Die Novelle schließe nicht aus, daß die Falschen getroffen würden. Patrik Schwarz
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