: Merkel legt neue Protokolle vor
■ Streit um Maßnahmen der Bundesländer gegen AKW-Betreiber
Ein weiteres Puzzlestück im Atomskandal ist gestern ans Licht gekommen: Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) legte dem Umweltausschuß Protokolle der „Ständigen Arbeitsgruppe für den sicheren Transport radioaktiver Stoffe in der EU“ vor. Danach entdeckte die Arbeitsgruppe, in der auch deutsche Beamte sitzen, bereits 1986 in Großbritannien 15 kontaminierte Transporte.
Wilhelm Collin vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und Ulrich Alter vom Bundesministerium für Umwelt (BMU), die gestern in der Sitzung erklären sollten, ob sie von Grenzwertüberschreitungen an Atombehältern seit Jahren wußten, machten keine Aussage. Merkel erklärte, alle Beamten hätten einen Text unterzeichnet, der ihre Unwissenheit bestätige. Den genauen Wortlaut legte sie gestern jedoch nicht vor.
Gegenüber der hessischen Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) und dem niedersächsischen Umweltminister Wolfgang Jüttner (SPD) kündigte Merkel inzwischen atomrechtliche Weisungen an für den Fall, daß sie den AKW-Betreibern Transportgenehmigungen entziehen. Bei einem Entzug der Genehmigungen verlieren die Betreiber den sogenannten „Entsorgungsvorsorgenachweis“ und müssen ihre AKW stillegen.
Inzwischen liegen der taz weitere Informationen vor, denen zufolge Grenzwertüberschreitungen kein Geheimnis allein der AKW- Betreiber waren. Im Transportsicherheitsausschuß „Transsac“ der Internationalen Atombehörde (IAEO), der vom BfS-Beamten Wilhelm Collin geleitet wird, wurde ein Dokument (TC 996/6, Juni 1996) behandelt, in dem Verbesserungsvorschläge für die international gültigen IAEO-Sicherheiststandards aufgelistet waren. „In einigen Situationen werden Atombehälter in kontaminiertes Kühlwasser zur Brennelementebeladung eingetaucht. ... Dabei setzt sich Kontamination wie Cäsium 137 in Poren und feinen Rissen fest. ... Es sollte berücksichtigt werden, daß in manchen Gelegenheiten die Kontamination am Ende des Transports zu hoch liegen kann.“ In dem Dokument wird eine verläßliche Dekontamination gefordert.
Die atompolitische Sprecherin der Grünen, Ursula Schönberger, forderte eine ganztägige Sitzung aller zuständigen Minister, der Energieversorger sowie unabhängiger Gutachter. sen
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