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Peace-Party statt Paraden-Protest

Der umstrittene Oranier-Marsch durch Belfast wurde umgeleitet und verlief friedlich. Nordirlands politische Gefangene sollen freigelassen werden  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Der protestantische Oranier- Orden hat gestern darauf verzichtet, durch ein katholisches Wohnviertel in Nordbelfast zu marschieren. Die Anwohner, die Straßenproteste angekündigt hatten, feierten statt dessen eine Party „zur Förderung des Friedens“.

Im Unterhaus ging es weniger einmütig zu. Die Tories brachen vorgestern mit der Tradition, in Nordirlandfragen mit der Regierung zu stimmen. Sie erteilten dem Gesetz zur Freilassung der politischen Gefangenen binnen zwei Jahren bei der dritten Lesung eine Absage. Ihr Nordirlandsprecher Andrew Mackay sagte, das Gesetz weise „verhängnisvolle Fehler“ auf, weil es nicht die Herausgabe der Waffen zur Vorbedingung mache. „Alle terroristischen Gefangenen können freikommen“, sagte er, „ohne daß auch nur eine einzige Pistole ausgemustert wird.“

Mackay beschuldigte die Regierung, den Unterhausbericht vom 6. Mai nachträglich verändert zu haben. Damals hatte Premierminister Tony Blair zugesagt, daß kein Gefangener freikommen werde, solange nicht ein beträchtlicher Teil der Waffen übergeben worden sei. Dieser Satz fehlt in dem Bericht. Die Parlamentspräsidentin Betty Boothroyd hat eine Untersuchung eingeleitet.

Von Einigkeit kann bei den Tories jedoch keine Rede sein. Der frühere Staatssekretär Douglas Hogg stimmte vorgestern mit der Regierung, Parteichef William Hague und die Hälfte seines Schattenkabinetts tauchten im Unterhaus gar nicht erst auf. Sie befürchteten, dem rechtsradikalen Protestantenpfarrer Ian Paisley, dessen Partei aus denselben Gründen gegen das Gesetz gestimmt hatte, so kurz vor den nordirischen Wahlen am nächsten Donnerstag Auftrieb zu geben und dadurch dem Unionistenführer David Trimble weiteren Scahden zuzufügen.

Dessen Partei ist in einem desolaten Zustand. Bei der zweiten Lesung des Gesetzes hatte sich Trimble vorige Woche für die Annahme ausgesprochen, ließ seine verblüfften Parteikollegen jedoch in letzter Sekunde stehen und marschierte durch die Nein-Tür. Am Donnerstag früh behauptete Trimble nun, daß auf seine Initiative das Gesetz insoweit abgeändert worden sei, daß die Freilassung der Gefangenen nun von der Ausmusterung der Waffen abhänge. Seine Fraktion traf sich kurz darauf ohne sein Wissen und gab eine Presseerklärung heraus, in der diese Verknüpfung bestritten wurde – zu recht übrigens: Im Gesetz ist die Waffenabgabe lediglich als Wunschziel formuliert.

Padraic Wilson, IRA-Kommandant im Gefängnis Long Kesh, deutete in einem Interview der Financial Times aber an, daß seine Organisation kooperieren wolle, wenn „wir das Gefühl haben, daß die im anglo-irischen Abkommen vorgesehenen Einrichtungen funktionieren“. Zwar werde man die Waffen wohl kaum abgeben, aber Wilson kann sich vorstellen, daß die IRA ihr Arsenal vor unabhängigen Zeugen zerstört.

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