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Geldpolitik im Einheitspack

Die Europäische Zentralbank streitet um Strategien für ihre künftige Politik. Kritiker fordern Beschäftigungsziel als Ergänzung zu den monetären Vorgaben  ■ Von Hermannus Pfeiffer

Hamburg (taz) – Unauffällig ist Europas Wirtschaftspolitik in eine neue Epoche gestartet. Das erste Treffen des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) im Eurotower am Frankfurter Theaterplatz hat zu knapp 55 Einstellungen, organisatorischen Fußnoten und zweitrangigen Preisfestsetzungen im internationalen Zahlungsverkehr geführt. Die Gründung der eigentlichen Euromacht ist vollzogen. Um Strategien und Taktik aber wird noch zu streiten sein. Die ersten Entscheidungen könnten schon im Juli fallen. Fest steht bislang nur die politische Vorgabe für die EZB: „Vorrangiges Ziel ist, die Preisstabilität zu gewährleisten.“

Dorthin könnte die EZB auf mehreren Routen kommen. Möglich wäre eine strenge Geldmengensteuerung á la Bundesbank. Steigt die Geldmenge parallel zum wirtschaftlichen Wachstum, so die Theorie, bleiben die Preise stabil. Gesteuert wird über die Ausgabe von Zentralbankgeld und insbesondere über verschiedene Zinssätze, die die Kreditinstitute für frische Euros an die EZB zahlen müssen. Strittig ist, ob die Geschäftsbanken wie bisher in Deutschland eine Mindestreserve halten müssen, die – zum Unwillen der Branche – zinslos bei der Zentralbank hinterlegt wird. Sie dient der Geldmengensteuerung und bildet einen Sicherheitsfonds für das gesamte Finanzsystem.

Allerdings wurde gerade in Deutschland das von der Bundesbank formulierte Geldmengenziel häufiger deutlich verfehlt, ohne daß eine entsprechende Erhöhung der Preise folgte. Solche Erfahrungen und die Flut der modernen Finanzinstrumente haben einige Zentralbanken neue Wege suchen lassen. Die Bank von England etwa hat ein genaues Inflationsziel gesetzt, zu dem die Steuerungsinstrumente hinführen sollen. Nach Äußerungen aus der EZB könnte ein moderater Preisanstieg zwischen null und zwei Prozent angestrebt werden.

Auch hierzulande ist die Bundesbank, die sich zum Gralshüter der Ökonomie ernannt hat, mit ihrer Politik keineswegs unumstritten. Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel wirft ihr vor, „mehrfach seit den siebziger Jahren mit ihrer restriktiven Geldpolitik Wirtschaftskrisen verursacht oder verschärft zu haben“. Nach 1993 hätten niedrigere Zinssätze die wirtschaftliche Schwäche auf Kosten eines moderaten Preisanstiegs beheben können, sagte er gegenüber der taz.

Fest steht auch das Euro- Grundgerüst. „Weisungsunabhängig“ von Regierungen, Europäischem Parlament oder den Brüsseler Kommissaren soll die EZB sein, heißt es schon im Maastricht- Vertrag. Damit setzte sich das „Deutsche Modell“ nicht allein in der Standortfrage durch. Frankreich und zeitweise auch Großbritannien hatten dagegen ursprünglich ein politisches Reglement durch demokratisch legitimierte Institutionen angestrebt. Als zentralbankpolitischer Ersatz dient zukünftig das Treffen der elf Finanzminister im „Euro-11-Rat“. Im Euroland können die nationalen Wechselkurse nicht mehr auf den realen Wirtschaftsprozeß einwirken, sie gibt es dann nämlich nicht mehr. Und auch die Geldpolitik wird künftig im Einheitspack aus Frankfurt bezogen. Wie dann Konjunkturunterschiede zwischen den Eurostaaten und wie regionale Unterschiede ausgeglichen werden sollen, ist vollkommen ungewiß.

Postkeynesianer und linke Wirtschaftswissenschaftler rufen daher nach neuen Rezepturen. „Denke immer an die Arbeitslosigkeit“, mahnt US-Nobelpreisträger Franco Modigliani. Monetäre Ziele allein seien viel zu wenig, die EZB bräuchte auch ein Beschäftigungsziel. Die „stabilitätsfanatische Geldpolitik“ sei zutiefst politisch und koste eine Menge Arbeitsplätze, assistiert Hickel. Er hält eine Preissteigerung von fünf Prozent für verträglich und fordert obendrein auch ein Öko-Ziel für die Europäische Zentralbank.

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